Maria Leonhard, Spornitz
Goldgelb leuchtete der Herbst durch mein Fenster. Das Mittagessen war fertig, der Entsafter bestückt, der Dörrapparat lief auch schon. Während dieser Arbeiten hatte mir „Frau Bergmann“ amüsante und gute Haushalttipps gegeben. Die Kuchenrezepte der „Online-Omi“ (gelesen von Carmen-Maja Antoni), die ich nebenbei aufgeschrieben hatte, würde ich später ordentlich in mein Kochbuch übertragen. Das ist zwar doppelte Arbeit, aber so bleibt mein Rezeptbuch sauber. Mein Blick fiel auf einen Spruch an unserer Küchenpinnwand: „Die Arbeit läuft Dir nicht davon, während Du Deinem Kind den Regenbogen zeigst, aber der Regenbogen wartet nicht.“ Mit dem Wetter ist es zur Zeit ähnlich – es zog mich in die Sonne, ich wollte mit unserem Besucherhund Ilex eine große Runde drehen. Endlich kam mein Mann von der Arbeit und ich drängelte, dass wir losgehen.

Der Besucherhund gehört unserer Tochter und es macht Freude, mit ihm entspannt über die Felder zu streifen. Unser eigener Pico-Rüpel könnte sich vom Gast ruhig eine Scheibe abschneiden – neulich musste ich ihm tatsächlich ins Ohr beißen, um hoffentlich ein für alle Male die Rangordnung zu klären. Nein, es floss kein Blut, trotzdem möchte ich nicht wieder in so eine Situation geraten. Aber Pico ist noch jung und mein Mann wird ihm alles Erforderliche beibringen.

Mein Mann ging mit Pico in den Wald und ich mit Ilex zu den Feldern. Auf dem Weg überflogen uns laut rufende Wildgänse. Es ist schon wieder Sammelzeit – dabei kommt es mir so vor, als ob sie gerade erst bei uns in der Lewitz eingetoffen sind! Bald werden sie zu ihrem langen Flug in den warmen Süden aufbrechen. Später sahen wir noch einem weiteren großen Vogelschwarm. Leider konnte ich nicht erkennen, um was für Vögel es sich handelt, doch es war einfach schön, dieses Schauspiel der Freiheit am Himmel zu erleben.

Für uns ging es weiter zu den Sieben Steinen. Laut einer Sage sollen dort einst sieben Knaben Pferde gehütet haben. Als sechs von ihnen mit Essen spielten und die göttliche Warnung missachteten, schnell fortzulaufen und sich dabei auf keinen Fall umzudrehen, wurden sie in Steine verwandelt. Der siebte hatte sich zwar an die Anweisung gehalten, dann aber zurückgeschaut, um zu sehen, was mit seinen Kameraden geschieht, so wurde auch er verwandelt. Deshalb liegen sechs Steine beieinander und der siebte etwas abseits von ihnen. Früher war ich mit meinen Kindern hier ab und zu picknicken. Wir haben dabei immer die Steine gesucht, die damals fast im Erdreich verschwunden waren. Inzwischen hat der Spornitzer Heimatverein das kleine Gelände für Besucher attraktiv hergerichtet. Noch eine Wasserpause für Ilex und mich, dann ging es über das nächste Feld zu meiner Eiche, meinem Kraftbaum. In vergangenen Sommern saß ich dort so manches Mal mit einem Buch in seinem Schatten.

Am Waldrand erwachte Ilex‘ Jagdtrieb, so dass ich zu tun hatte, ihn auf dem Weg zu halten. Nebenbei entdeckte ich einen leuchtenden Fliegenpilz. Einfach schön, wie er so da stand. Vorsichtig bugsierte ich Ilex mit seiner zwanzig Meter langen Leine daran vorbei.

Nachdem uns Pilzsammler mit Braunkappen und Maronen in ihren Körben begegneten, kam schon das Dorf in Sicht – meine Heimat! Mir fiel das Lied„Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer“ ein. Wieviele Menschen mag es noch geben, die es kennen? Warum wird es nicht mehr in der Schule gelehrt? Dann waren wir wieder daheim – Ilex ausgetobt und ich mit Kaffeedurst und neuer Energie. Kaum waren wir zurück, stellte sich heraus, dass es richtig war, anfangs zu drängeln – die Sonne verschwand gerade hinter einer dichten Regenwolkenwand.
