Christoph Sanders, Thalheim

Die letzten beiden Tage grau, neblig, windstill, feucht. Der maximale Kontrast zu Montag. Sowohl bei den Pflanzen als auch den Vögeln passiert gerade alles rasant und gleichzeitig. Ein Grünfink schlägt an, ich entdecke ihn im Wipfel. Wie schnell man vergisst, dass die Gärten fast lautlos waren. Nach seiner Nudelportion hat sich der Sohn startklar gemacht und will nun den FSJ-Vertrag mit der Schule abschicken. Der Veilchengeruch im Haus fasziniert und befremdet die Tochter. Das Hit-Parfum heißt „Je Reviens“ und kommt aus dem Hause Worth. Gibts seit 1932, kenne noch die 50erjahre-Schachteln in mauve. Man kann den Duft nur chemisch rekontruieren, mit den rasch welkenden Blümchen geht es nicht. Das Original entzieht sich.

Zeitungsschau. Die Themen im „Wochenblatt für Landwirtschaft“: Rekordausfuhr von Eichenstämmen nach China, das Unterpflanzen eines jungen Birnbaums, der Fachname für die Breitendüngung mit Güllefässern, unfruchtbare Schafböcke, Schlachtstau, Preise stabil.
Komische Konstanz der Yellow Press: Das Erscheinungsbild seit Jahrzehnten gleich. Die tiefe Wirkung der Märchenprinzessinnen. Der gute König. Der bärtige Hipster als dessen Neuverkörperung. (Müsste mal die ganzen Männlichkeitssymbole auf Bierreklamen und die weiblichen auf Seifenpackungen sortieren.)
Im „Tagesspiegel“ ein bitterer Artikel über die gerade einrückenden Spargelbrigaden. DAS sind die entscheidenden Dinge, vor denen wir die Augen verschließen. Allein die Schlupflöcher durch Begriffe wie Ferienarbeit, kontingentierte oder kurzfristige Beschäftigung – alles Umschreibungen für Tagelöhner. Und die haben keinerlei Lobby – den Gewerkschaftsadel interessierts nicht oder nur sehr am Rande. Einmal pro Jahr wird die Siuation immerhin irgendwo beschrieben – und anschließend sofort wieder vergessen.
Quer durch die Presse Artikel zur europäischen Klamottensucht und, logisch, deren arbeitssozialen und Umweltfolgen. 19 Kilogramm pro Kopf und Jahr an Neukleidung. Bestimmt nicht nur Wintermäntel und Stiefel. Weiß der Teenie auch – aber es ist wie es ist: Sie kaufen es trotzdem. Da geht es um die intraspezifische Konkurrenz, wer die coolen Klamotten hat, wird mit 15-30 einfach höher angesehen. Als Ü50 kann man das leicht verfluchen … um dann über warme Orte im Süden nachzudenken, am besten eine Kreuzfahrt.

Die Wolken lockern sich und gerade kommt ne Fuhre Ligeti. Unsere Hasen haben jetzt weiteres Grün, das rund um die Magnolien einen Teppich bildet. Frische Vitamine für ein langes Leben.
