Helko Reschitzki, Moabit

Nach zwei milchig-grauen und rückfallskühlen Tagen (mit immerhin etwas Regen) der Ostersonntag namensadäquat. Der Morgen startet mit Bruckners „Messe Nr. 2“ nebst Frühstück. Anschließend gehe ich unter Glockengeläut und polyphonen Vogelchören an der Spree entlang, dann durch den Großen Tiergarten. Five hundred shades of green. Blumen, die verblühen, während andere gerade aufgehen. Ende und Anfang. Das passt zu diesem Feiertag der Christenheit.

Mich ziehts Richtung Matthäikirchplatz ins Kulturforum – dieses kurz nach Öffnung erfreulich leer. Ich sehe dort die Sonderausstellung „Von Odesa nach Berlin“ an und in der Gemäldegalerie ein paar der sogenannten Alten Meister. So ziemlich alle prägenden Künstler des 13. bis 18. Jahrhunderts sind neben unbekannteren vertreten: Bosch, Caravaggio, Bruegel, Dürer, Holbein, Rembrandt, Vermeer, van Eyck, Grien, Tizian, Rubens … Unter all den Großen für mich der Größte: Lucas Cranach d.Ä., der mit „Der Jungbrunnen“, „Venus und Amor als Honigdieb“ und seinem „Jüngsten Gericht“ zu bestaunen ist.
Da ich ziemlich oft hier bin, habe ich inzwischen den perfekten Zustand erreicht, nicht mehr bewußt schauen zu müssen, so dass ich bei meinen Besuchen angenehm gedankenlos durch jeweils ein paar der 59 Räume schlendere und ab und an vor einem der 1300 Bilder innehalte. In dieserart Beiläufigkeit nehm ich wesentlich mehr auf als beim konzentrierten Von-Bild-zu-Bild-Schreiten. Heutige Entdeckung: „Pfannkuchenbäckerin mit einem Jungen“, gemalt vom Amsterdamer Gabriël Metsu um 1659. Was die drei auf dem Bild wohl gerade denken … (Man beachte den Gesichtsausdruck der Katze!)

Die Ausstellung „Одеса -> Berlin“ hat einen traurigen Hintergrund: Gezeigt werden Gemälde aus dem Odessa Museum für westliche und östliche Kunst, die, um sie vor Kriegsschäden zu bewahren, 2023 zunächst noch in der Ukraine in ein geheimes Notlager und von dort nach Berlin gebracht wurden. Werke europäischer Künstler des 16. bis 19. Jahrhunderts, denen Bilder der Berliner Sammlung gegenübergestellt werden – es gibt da einige Überschneidungen bei den Künstlern. Besonders beeindruckend für mich: Eugen Kampfs „Eifeldorf“ sowie Andreas Aschenbachs „Winterlandschaft“.
Den perfekten Abschluss der Karwoche bildet dann Gabriel von Max‘ „Licht!“, das auf Anfang der 1870er Jahre datiert ist. Untertitel: „Blinde Öllampenverkäuferin in römischen Katakomben zur Zeit der Christenverfolgung“ – da hat der in Prag geborene Anhänger des Okkultismus, Spiritismus und Darwinismus sowie Mitglied der Loge Germania der Theosophischen Gesellschaft metaphernmäßig gut zugelangt. Palmzweige hatten wir hier ja bereits näher behandelt.

Auf dem Rückweg die Straßen um den Großen Stern immer noch angenehm autofrei – an einem Werktag kommt man hier kaum rüber bzw. muss kilometerweit zu ner Ampel latschen. Die Temperatur nun auf 19°C gestiegen – knorke! Auf der Perleberger finde ich in einer Verschenkkiste eine moskauer Nietzsche-Ausgabe – da ist wohl irgendein ein Russe von seinem Nicht-Glauben abgefallen. Werde es einem serbischen Freund schenken, der Russisch kann und mit seinen 88 Jahren noch einmal die Bücher seiner Jugend liest.

Nach den in Olivenöl angebratenen Tortellini mit einem Salat aus Rauke, Möhren, Tomaten, Gurke plus Joghurt gehts in die Moabiter Kulturfabrik zum Gothic-Flohmarkt, der nicht unwitzig Schwarzmarkt heißt – Grufties mit Humor, so weit isses nun schon gekommen …
