Frank Schott, Leipzig

Unter Postwachstumsökonomen ist Degrowth, also das bewusste Schrumpfen der Wirtschaftsleitung, derzeit ein Topthema. Für den Untergang der ostdeutschen Industrie nach dem Mauerfall gab es andere Gründe: Der wichtigste war die fehlende Konkurrenzfähigkeit der teilweise maroden Betriebe auf dem internationalen und dem nun gesamtdeutschen Markt. Infolgedessen wurden viele Ex-DDR-Produktionsstätten abgewickelt. Oftmals blieben die Gebäude leer, verfielen, gerieten ins Visier von Vandalen – um schließlich nach und nach von der Natur zurückerobert zu werden.

Ein Beispiel dafür ist der Bayerische Bahnhof in Leipzig, der Mitte des 19. bis ungefähr Mitte des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt war. Mit der Teilung Deutschlands verlor er an Bedeutung. Es setzte ein schleichender Niedergang ein, nach der Wiedervereinigung folgte die endgültige Stilllegung. Die Ruinen, die einen gewissen morbiden Charme nicht verhehlen können, werden bald verschwinden, da hier ein Wohngebiet entstehen soll. Noch behaupten sich auf dem Areal Goldrute, Hagebutte oder Rainfarn und sehr viele Gehölze. Diesen schenke ich aber keine weitere Aufmerksamkeit – der heutige Tag steht im Zeichen des Ehrenamts.

Mein Verein, Turbine Leipzig, hat zwei Turniere ausgelobt. Zunächst für die F-Junioren, danach ist die G-Jugend dran. Gespielt wird auf Kleinstfeldern im Drei gegen Drei; jede der beiden Mannschaften hat zwei Minitore zu verteidigen. Mit dieser kreativen Form möchte der DFB die Jugend für die Herausforderungen des modernen Fußballs fit machen – Ballaktionen, Spielfreude und Erfolgserlebnisse sollen im Vordergrund stehen. Ein Spiel dauert maximal 10 Minuten.

Zehn bzw. zwölf Teams in den beiden Turnieren bedeuten, dass zehn bzw. zwölf Trainer oder Aushilfstrainer am Start sind. Alles Ehrenamtler, die zweimal die Woche mit den Mädchen und Jungs trainieren – die Turniere oder Punktspiele am Wochenende kommen noch hinzu. Eine finanzielle Entschädigung gibt es nicht, in der Regel bekommt man als Coach aber gratis die Sportkleidung gestellt.
Beim Turbine-Nachwuchs sind wir aktuell vier Übungsleiter, von denen jedoch nicht alle jedes Training persönlich abdecken können. Bei Gruppen mit dreißig Jungs sind zwei Trainer das Minimum, will man ein halbwegs diszipliniertes Training sicherstellen. Für mich beschreibt der Ausdruck „Flöhe hüten“ die Gemengelage am besten.

Wir ließen die Kids jeweils 7 Minuten spielen und haben dabei den Champions-League-Modus angewendet: Der Gewinner rückt ein Feld vor, der Verlierer geht ein Feld zurück. Auf welchem der Felder ein Team startet, schätzen die Trainer selbst ein – die sehr guten Teams beginnen auf Feld 1, was dann runter geht bis Feld 5 bzw. 6, wo die eher schwachen anfangen. In jedem der beiden Turniere landete am Ende mindestens eine Mannschaft von uns auf Feld 1 – eine schöne Bestätigung unserer Arbeit.
Der organisatorische Aufwand für solche Veranstaltungen ist beträchtlich, weshalb die meisten Vereine lediglich ein bis zwei Turniere pro Saison durchführen. Ohne Mithilfe von Eltern, die Essen und Getränke für die Turniere beisteuern, Kaffee kochen oder am Grill stehen, wäre das nicht machbar. Für uns Trainer war es ein langer Samstag: Mit Auf- und Abbau waren wir sechs Stunden vor Ort, deutlich länger als bei einem normalen Punktspiel.

Deswegen konnte ich am Samstag nicht laufen. Das werde ich am Sonntag nachholen. Das Wetter ist noch sehr angenehm, das will ich nutzen.
