Christoph Sanders, Thalheim
Der Tag nach einem Sturz ist immer der schwerste. Nach einer 600er Ibuprofen und zwei Stunden Anlauf beschränkt sich mein Radius auf das Haus und den Garten. Beste Position: sitzend vor dem Laptop, beide Arme auf den Tisch gelegt, dazu ab und an die Beine vertreten. Ich streame viel: Beigbeder, Biopics über Yves Saint Laurent, eine Doku übers Jazzfest in Montreux. (Der Blick von Nina Simone!) Frederic Beigbeder ist Gastgeber des Videopodcastes „Conversations chez Lapérouse“, in dem er sich jede Woche mit Kollegen unterhält, manchmal sind auch Verleger oder Philosophen zu Gast. Der beidseitige Respekt ist immer zu spüren. Das ist sehr agenehm, vor allem, weil das so anders ist als in den deutschen Literatursalons, die ja eher selbstreferenziellen Kuschelgruppen ähneln, in denen man die Fördergeldschläue der anderen observiert.

Die Kartoffeln und Möhren köcheln. Warten auf die Jüngste, damit sie mir die Schnitzelmaschine vom Schrank holt – so schnell wird man zum Invaliden. Auf dem Sonnenstuhl sitzend lese ich Nabokovs Analyse von Kafkas „Die Verwandlung“. Er greift dabei auf Proust und Stevenson zurück, vergleicht anschaulich, macht klar, dass er über seinen persönlichen Standpunkt spricht. Ein herrlicher Tag.

Trotz des wieder einsetzenden Schmerzes konnte ich die Nacht ohne Tablette schlafen. Ich habe mich dann aber sogleich an der eigentlich superleichten Hausarbeit übernommen – verdammtes Schleudertrauma! Es ist gar nicht die Aufprallstelle, sondern das Randgebiet im Innern der Schulter, das weh tut – ein Bluterguss zwischen Bindegewebe und Zwerchfell. Gartenrunde: Die Morgen werden wieder kühler. Um mich herum hunderte Mehlschwalben im Tiefflug – was überhaupt nicht unangenehm ist, so wie das ja einige Rustikalpsychologen gern mal behaupten. Ich entdecke das neue Zebraspinnennetz. Ob es die vom Vorjahr ist – oder eines ihrer fünftausend Eier? Dann die allerletzte Erdbeere der Saison: 20. August – man könnte das Ende dieses Sommers exakt datieren.

Langsam gehts aufwärts. Die Schulter ist nun gelbgrün, im Rücken wandert der Bluterguss. Positionen die gestern ohne Einschränkung möglich waren, sind heute mühsam – aber es wird alles beweglicher. Da ich auf dem Rad keinerlei Schmerzen verspüre, wage ich eine winzige Besorgungsfahrt. Der Test ist erfolgreich. Schwüle Wärme, man sieht zum Taunus hin sehr schön die Wetterscheide – unsere Seite bleibt klar mit nördlichem Wind. Die Felder nehmen rasch die fahle, herbstliche Tönung an.
Nabokov seziert „Ulysses“ – Präzisionsarbeit.

