Frank Schott, Leipzig
Ich habe heute mal wieder eine größere Runde gedreht. Diesmal nicht mit den Laufschuhen, sondern mit dem Rad. Seit meinem schweren Fahrradunfall vor etwas über zwei Jahren habe ich keine größere Radtour mehr gemacht. Zumal damals mein Rennrad stark beschädigt wurde und mein Anwalt sich immer noch mit der Versicherung des Autofahrers streitet.
Nach der Arbeit wollte ich mich einfach austoben. Und laufen wollte ich sicherheitshalber nicht, weil mir gestern nach dem Training mit den Kids etwas das Knie geschmerzt hat. Also rauf aufs Gravelbike. Die Seentour war mein Plan: Markkleeberger und Störmtaler See umrunden, etwa 50 Kilometer.

Kaum in Markkleeberg angekommen: Ach ja, stimmt, die Brücke ist gesperrt. Es gibt dort zwar einen Behelfsweg für Fußgänger und Radfahrer, aber nee, ich habe keine Lust auf Schieben. Also machen mein Rad und ich einen 8 Kilometer Umweg und umrunden einen Großteil des Cospudener Sees, um wieder nach Markkleeberg zu kommen. Viel Betrieb: Spaziergänger, Jogger, Skater und natürlich Radfahrer. Relativ wenig Rennradfahrer, denn mit dem starken Publikumsverkehr ist die Strecke nur bedingt rennradtauglich. Diesmal kein Fotostopp bei den Rentieren oder den Eseln.

Weiter geht es nach Gaschwitz. Ich hätte Appetit auf etwas Kleines, aber der Radlerhof ist noch geschlossen. Weiter geht es über die filigrane Neuseenbrücke, unter welcher die B2 verläuft. Südlich des Markkleeberger Sees will ich an der stillgelegten Schleuse zum Störmthaler See, aber das Teilstück ist ebenfalls gesperrt. Es gibt eine Umleitung für Radfahrer.
Hinter der Sperrung steckt ein klein wenig Großmannssucht. Im Süden von Leipzig entstanden nach Ende des Braunkohleabbaus vier riesige Baggerseen. Die drei erwähnten (Markkleeberger, Cospudener, Störmthaler) und der Zwenkauer See. Die Vision Leipzigs und der Nachbargemeinden war, alle Seen über Kanäle zu verbinden und für die Schifffahrt nutzbar zu machen. Den Anfang machte der Kanal zwischen Störmthaler und Markkleeberger See, der wegen des Höhenunterschieds mit einer Schleusenkammer versehen war.
Seit 2021 ist die Verbindung gekappt. Wegen Rissbildungen war die Stabilität der Schleuse in Gefahr. Klar ist wohl, dass bei Planung und Bau Fehler passiert sind. Es zeigte sich, dass die Komplexität des Untergrunds, sprich Sand, Ton etc. sowie die Tatsache, dass es teilweise Halden sind, zu den Problemen beigetragen haben – der Untergrund für den Kanal war halt nicht normale Erde. Jetzt geht es primär darum, alles zu sichern, weil ein Bruch der Bewehrung zu großflächigen Überschwemmungen führen könnte. Deswegen ruhen auch die Pläne für den Kanal zwischen Cospudener und Zwenkauer See. Es wird hier bereits von Kosten in dreistelliger Millionenhöhe gesprochen – und auch bei diesem Kanal besteht das Problem des Höhenunterschieds und des schwierigen Untergrunds …

Ich fahre also die Umleitung, überquere die A38 und komme am Bergbau Technik Park vorbei. Den alten Abraumabsetzer des Tagebaus Espenhain (ca. 2400 t, Baujahr 1985, bis zu 10.000 m³ Förderleistung) sieht man bereits aus großer Ferne, aber so nah war ich ihm noch nie. Dann bin ich endlich am Störmthaler See. Hier ist Schluss mit Wanderern, Joggern und Skatern. Es gibt nur noch Rennfahrer, einige weniger Pendler und ein paar mittelschnelle Radfahrer wie mich.
Die Umfahrung des Störmthaler Sees ist die ruhigste und gleichzeitig die anspruchsvollste Teilstrecke. Mehrere Anstiege mit 8, 9 oder sogar 11 Prozent Steigung gehen in die Beine und kosten Luft. Dafür ist es wunderbar ruhig. Im Schilfstreifen am Westufer quaken die Frösche. Eine Elster hüpft über den Weg. Schwärme von Mücken tanzen in der warmen Luft und bereiten sich aufs Diner vor. Gerade werden sie aber eher Opfer von mir, indem ich die eine oder andere durch den offenen Mund einatme.
Langsam wird der Hunger bohrend. Am Ostufer hat zum Glück der zum Imbiss umgebaute Bauwagen geöffnet. Es gibt hier aber nur noch „Snickers oder Mars“. Ich entscheide mich für einen Snickers, der direkt aus dem Kühlschrank kommt. Eine echte Herausforderung für die Kauwerkzeuge, während ich mit gemütlichen 20 km/h weiterfahre. Aber langsam nervt nicht nur der Hunger. Mich plagen auch Schmerzen in Schulter und Nacken, weil ich das vorgebeugte Fahren nicht mehr gewohnt bin.
Also ist Schluss für heute – ab nach Hause. Über Wachau geht’s am neugebauten Gefängnis vorbei, dessen chinesische Mauern hoch vor mir aufragen. Am Ende waren es knapp 58 Kilometer, die ich mit Foto- und Snickerstop in 2:21 Stunden zurückgelegt habe. Ich sollte es wieder mal tun – wenn nichts mehr weh tut.
