Frank Schott, Leipzig
Sonntagmorgen. Am Vorabend ging ich früh ins Bett und bin deshalb bereits um halb sieben munter. Das heißt: Laufschuhe schnüren und auf dem Rückweg Brötchen für das Frühstück mitbringen. 7:15 Uhr, es sind nur sehr wenige Menschen unterwegs: ein paar Radfahrer und Leute mit Hund. Ein Betrunkener stapft wie ein Seemann bei Sturm über die Brücke an der Pferderennbahn. Am Deich steht die Wegwarte in voller Blüte, die blasslila Köpfe Richtung Sonne geneigt. Die Spielplätze sind um diese Zeit noch leer.

Die Klingerbrücke ist gesperrt. Damit ist die zweite wichtige Brücke vom Stadtzentrum in Richtung Westen momentan nicht nutzbar. Gut für mich – so kann ich ohne auf Ampeln oder Autos zu achten, über die Straße huschen. Interessanterweise wird hier, obwohl Sonntag ist, gearbeitet. Da trotz Ferien- und Urlaubszeit im Berufsverkehr nach wie vor großes Chaos herrscht, will man schnell fertigwerden.

Ich laufe weiter in Richtung Stadion. Die Papierkörbe quellen über vor Abfall und leeren Flaschen. Bierflaschen sind keine dabei, die Pfandsammler waren schnell. Dafür jede Menge Sektflaschen. Trinkt man wieder Sekt als Jugendlicher? Keine Ahnung. Ich drehe die Runde um den Festplatz, wo gerade jede Menge Ausschankwagen aufgebaut werden. Nächste Woche ist hier das Konzert von Robbie Williams. Auf den gemauerten Brüstungen, welche die Freifläche umschließen, schlafen zwei junge Männer ihren Rausch aus. Die Fans von Chemie waren auch wieder unterwegs: Alle rot-weiß angestrichenen Lampen und Verteilerkästen leuchten jetzt in grün-weiß. Schön, wenn man ein Hobby hat.
Auf dem Rückweg sehe ich dann etliche Jogger. Ich unterteile sie in „Fanatiker“ und „Schlurfer“. Die Fanatiker sind muskulöse, maximal 30-jährige Kerle (keine dürren Langstreckenläufer), die vermutlich für Hyrox-, Strongman- oder Ninja-Warrior-Wettkämpfe trainieren. Natürlich im Muskelshirt, damit man auch ja jede der Wölbungen sieht. Da kann ich nicht mithalten. Die Schlurfer sind etwas schneller als Fußgänger unterwegs. Mit meinen gut 11 km/h Schnitt überhole ich sie und erfreue mich daran, dass ich es kann.
Am Himmel kreist ein Raubvogel. Ein paar Krähen hüpfen über den Weg. Spatzen zwitschern. Eine Amsel schleppt etwas Großes davon, vielleicht Material zum Nestbau. Nach gut 52 Minuten und knapp 10 Kilometern stehe ich vor unserem Bäcker. Auf der Straßenbaustelle gegenüber liegen bestimmt über hundert Flaschen – einige noch am Stück, die anderen in Scherben.
