Helko Reschitzki, Moabit

Morgens -8°C, die kürzlich gekaufte Thermohose hatte sich bereits mit Verlassen des Hofes amortisiert. Ein blauer Himmel mit kräftiger Sonne bei klarer, trockener Luft; im Laufe des Vormittags durch die zunehmende Bewölkung anmutungskühl, obwohl die Temperaturen bis auf -1°C stiegen. Hier und da leichte Schneeverwehungen, die Gehwege stellenweise überfroren. Ich hatte heute in Schönholz zu tun, einer sogenannten Ortslage im westlichen Niederschönhausen. Zu Mauerzeiten Sperrgebiet zwischen Ost und West und mir bislang unbekannt. Nachdem ich meinen Kram erledigt hatte, erkundete ich ein wenig die Gegend, wobei ich zwischen Bürgerpark, Friedhof und den S-Bahngleisen auf irgendein Betriebsgelände geriet. Alles etwas unübersichtlich – ich latschte direkt in den mehrere Männer starken Werkschutz rein. Was die da bewachen, konnte ich nicht genau erkennen, sah aus wie eine Funkanlage. Mir wurde dann freundlich der kürzeste Weg nach draußen gezeigt. Noch 1989 hätte dort eine vergleichbare Situation böse Folgen gehabt. Wir leben gerade in ruhigen Zeiten.
Von der Südseite streifte ich kurz das Landschaftsschutzgebiet Schönholzer Heide, ein 35 Hektar großer Stadtwald voller Eichen, Ahorn, Fichten, Platanen, Kiefern und sehr bewegter Geschichte – der wird beim nächsten Mal durchströmert und genauer bekiekt.
Ansonsten viel Tristesse. Mich deprimieren diese Stadtteilränder ja immer etwas, das Graubetonige, die Baracken, in denen irgendetwas zertifiziert wird, die Jobcenterarbeitszwangvereine, die Ölflecken in den Schrauberhöfen, die Schaumzuckermäusemanufakturen und Kunstblutbuden. Umso wichtiger die Waldgänge davor und danach.
Dazu passend abends der dystopische mazedonische Film „M“ von Vardan Tozija, in dem ein Waldjunge in die zombieverseuchte Stadt gerät. Poetisch und mit wirklich gutem Plot in diesem ja ziemlich auserzählten Genre. Hauptdarsteller Matej Sivakov eine Wucht!

