Helko Reschitzki, Moabit
Bei leichten Plusgraden der Himmel tagsüber wie auf einem durch und durch grauen Aquarell ohne größeren Pigmenteinsatz. Trüber Höhepunkt eine Baustelle kurz vor dem U-Bahnhof Krumme Lanke, wo ich auf einer Ziegelmauer die leicht abgewaschene Aufschrift „Hilfskabel“ lese und ein Arbeiter mit orangebejacktem Oberkörper im Nieselregen aus einer Röhre ragt – er macht dabei keinen allzu glücklichen Eindruck.
Umso erfreulicher das realitätsgesättigte, wohltuend sarkastische Gespräch im „Haus am Waldsee“, wo ich mit der ausgesprochen netten Dame an der Kasse auf die radikalen Budgetkürzungen des Berliner Senats komme und uns spontan allerlei wirklich sinnvolle alternative Einsparmöglichkeiten einfallen – fragt die Kassiererinnen, Polizisten, Hausmeister, Krankenschwestern und Pflegerinnen, dann fließen deren Steuern tendenziell schon an die richtigen Stellen.
Die dortige, soeben eröffnete Ausstellung „Revisions“ mit Arbeiten von Ull Hohn, der 1995 mit nur fünfunddreißig Jahren verstarb. Ein paar wirklich sehr gute geheimnissvolle Landschaften in Dunkelgelb- und Orangebrauntönen, sowie eine gänzlich anders geartete Serie, die mich stutzen ließ, da sie mir merkwürdig vertraut vorkam – das Begleitheft klärte dann auf, dass es sich hierbei um Werke handelt, die nach den Schritt-für-Schritt-Anleitungen des us-amerikanischen TV-Malers Bob Ross entstanden sind, der mir in den Neunzigern mit seiner Sendung „The joy of painting“ ab und an beim Durchzappen auf den Bildschirm ploppte. Eine humorvoll hintersinnige Idee von Hohn, der diese Bilder dann in den Kunstbetrieb einspeiste.
Anschließend ging es in guter Tradition hinunter zum Schlachtensee, wo ich diesmal nur sehr wenige Vögel sah, was sich in den nächsten Wochen naturgemäß ändern wird; Säugetiere begegneten mir gar keine (vom Homo sapiens und dessen Canis lupus familiaris mal abgesehen). Zu vermelden ist die Sichtung jeweils einer Kohlmeise, Amsel und Tannenmeise, eines fliegenden Graureihers sowie zweier Höckerschwäne und Blässhühner. In Ufernähe noch eine dünne und brüchige Eisschicht – sehr zur Freude eines jungen Mannes, der gerade ins Wasser stieg und mir fröhlich erzählte, dass er just in diesem Moment seinen Winterwasseraufenthaltsrekord von 45 Sekunden auf 1 Minute erhöhen wolle – was ihm dann gelang. Es sei erst das zweite Mal, dass er bei solchen Temperaturen bade – ich sprach ihm meinen Respekt aus.
Auf meinem weiteren Weg Richtung S-Bahnhof Nikolassee war die Eiszeitniederung „Rehwiese“ großflächig von den ortsbekannten Wildschweinen zerwühlt. Ich sah dort aber leider bislang nie welche, im vergangenen Sommer kamen sie mir an einem frühen Morgen immerhin schon einmal zu Gehör. Vielleicht ergibt sich ja in diesem Jahr auch eine Inaugenscheinnahme.

Ergänzendes vom Projekt „Berliner Moorböden im Klimawandel“ der Humboldt-Universität zu Berlin: „Die Rehwiese Nikolassee bildet den südlichen Abschluss einer glazifluvialen Schmelzwasserrinne bzw. der Grunewaldseenkette, die in Schmelzwassersanden angelegt ist. Es ist ein Verlandungsmoor, in dem Kalkmudde und nachfolgend Detritusmudde sedimentiert wurde. Die Torfe sind meist weniger als 2 m mächtig und weisen im obersten Meter Radizellentorf mit Fieberklee- und Braunmoosbeimengungen auf.“ Somit wäre das auch geklärt. http://www.berliner-moorboeden.hu-berlin.de/content/project.php
