Christoph Sanders, Thalheim
Völlige Eintrübung bei unter Null, die letzte Hyazinthe wird es heute schwer haben. Mit dem Sohn zur Bahn, die 25 Minuten Verspätung hat - Diesellok auf eingleisiger Strecke, da gibt es keine Ausreden. Aber die Kundschaft klagt nicht, sie ist um die Krümel der Mobilität froh, die man ihr hinwirft. Wer um 8:30 Uhr mit einem Zug durchs Hinterland fährt, muss ein Unmündiger sein.
Mit meinem Altphone die Briefwahl über QR-Code beantragt. Man warnt vor mich Datenklau, die alten Modelle seien "unsicher". Wenn ich morgen Rollator- und Pflegedienstwerbung bekomme, weiß ich bescheid.
Wir warten hier gerade auf ein Ersatzteil für die Küchenmaschine, den sogenannten Scheibenträger. Der wird von einer Plastikfirma aus Italien geschickt, das Herstellerwerk, die Braun AG, hat den Kundendienst vor über 10 Jahren eingestellt. Aber offenbar weigern sich viele, diese schönen Maschinen samt Zubehör wegzuwerfen und bestellen dann Ersatzteile bei solchen Anbietern. Das Internet macht es möglich. Bald gibt es wieder Sellerie- und Möhrensalat.

Weiter mit Mendelssohns Streichquartetten No. 2, 3 und 6, Doppel-CD auf Erato – das Artemis Quartett technisch brillant, aber es fehlt eine gewisse Lockerheit; ich mag es nicht, wenn zu doll gedrückt wird beim espressivo. Feinschmeckerdiskussion – aber WICHTIG. Einen achtundreißigjährigen CD-Player aus dem Keller geholt, die Fernbedienung erinnert an Casiorechner und funktioniert auf Anhieb und tadellos.
Auch Klasse: Toni Morrisons „Gnade“ über das keimende Amerika. Die stellenweise wirklich sehr ulkige Übersetzung soll den Slang des Sklavenmädchens nachbilden, das die Geschichte erzählt, alles andere Hochsprache. Sehr gute Landschaftsbeschreibungen. Um Längen besser, da knapper und bildlicher, als der beliebte TC Boyle.
Die Schneeglöckchen nehmen sich ihre Zeit.
