Frank Schott, Leipzig
Ein Montagmorgen stimmt verdrießlich. Zumal heute die sächsischen Herbstferien vorbei sind. Punkt acht sind die Schüler wieder in ihren Bildungseinrichtungen weggesperrt. Mit den Kindern sind auch die Eltern aus den Urlauben zurück und machen sich gestresst auf den Weg zur Arbeit. Die Straßen sind deutlich voller, die Autofahrer deutlich unentspannter als zuletzt. Alle haben den Montagsblues.

Grünphasige Ampeln spucken Massen an ungeduldigen Radfahrern auf die kombinierten Fuß- und Radwege. Sie hasten zur nächsten Ampel und brausen dabei mit ihren Rennrädern oder SUV-artigen, e-Motor-gestärkten Lastenrädern mit dem minimalst vertretbaren Abstand an mir vorbei. Der Eingang zur U-Bahn sieht aus wie ein Schlund zur Unterwelt, welcher die Menschen verschluckt, verdaut und anschließend als genügsame Arbeitsroboter am anderen Ende des unterirdischen Gedärms wieder ausscheidet. Es ist Montag.

Auf den Gehwegen lümmeln sich Laubblätter aller Schattierungen. Sie warten auf den schwarzen Mann – der ein oranger Mann der Stadtreinigung ist, der sie mit seinem Laubbläser vertreibt, in dichten Haufen zusammendrängt, dem Kehricht zuführt. Arbeiter entern die Gerüste der Baustellen, flink wie Piraten, die nach einer Flaute die Wanten ihrer Brigg erklimmen. Kräne drehen sich im Montagswind.

Vor einem Postverteilzentrum sind die Lastenfahrräder der Zusteller aufgereiht und warten wie die Hühner vor der Fütterung auf das, was ihnen zugewiesen wird. Es ist noch Zeit für eine kurze Zigarette und einen Plausch, bevor die Pflicht ruft. Welche Pflicht eigentlich? Hatte ich nicht gelesen, dass die Post montags keine Briefe mehr zustellt? Die KI belehrt mich, dass dem nur scheinbar so sei – an diesem Tag würden lediglich keine Werbesendungen und keine Dialogpost ausgeliefert, die jedoch den Großteil der Sendungen ausmachen. Wieder etwas gelernt. Und das an einem Montag.

Hatten der Schöpfer und seine Engel auch so ein Gefühl nach dem Wochenende? Nach dem freien siebten Tag, nachdem es vollbracht und gut war? Den Gedanken: „Ganz nett, doch jetzt fängt der Mist wieder von vorne an?“ Beim Grübeln deprimiert mich ein langer, gerader Weg, der ins Nichts zu führen scheint – mit einer Ampel am Ende, die – natürlich! – auf Rot steht. Genauso melancholisch stimmt mich ein versteckter Spielplatz, der nicht nur leer, sondern gar kein wirklicher Spielplatz ist, da er lediglich aus einem Schild und einer Tischtennisplatte aus Beton besteht. Und das nicht nur am Montag.

Bevor der Montagsblues überhandnimmt, setze ich mich in ein Café. Es ist kaum begreiflich, aber eine Butterbrezel und eine große Tasse Kaffee sind beträchtliche Stimmungsaufheller. Ich lese dazu zwei weitere Kapitel aus Prechts philosophischem Bestseller „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Danach bin ich so gefestigt, dass ich mich zu einer Laufrunde in den fast menschenleeren Park aufmache. Hat der Gott der Bibel es auch so gemacht? Einen Kaffee getrunken und dann versucht, dem Ganzen das Beste abzugewinnen?
