Helko Reschitzki, Moabit
Monatsspreu 04/2025

Deutschland hat seine erste Weltraumfahrerin! Rabea Rogge aus Schöneberg. Vom 01. bis 05. April war die Robotik-Doktorandin der TU Trondheim mit der von Musks Firma Space X gecharterten Fram2 im Kosmos. Finanziert wurde der Trip vom chinesischischen Bitcoin- und Blockchainmilliardär Chun Wang. Die Berlinerin und er hatten sich während einer Ski-Expedition an der Arktis kennengelernt. (Der Flug führte dann auch passenderweise über Nord- und Südpol.) Mit in Rabeas Gepäck: eine Kopie der Freiheitsglocke aus dem Rathaus Schöneberg: „Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.“ Sehr gut! Der erste Funkspruch der Pilotin ging coolerweise ins Kabuff des Amateurfunkclubs ihrer ehemaligen Uni TU Berlin: „Delta kilo zero tango uniform i got you loud and clear.“
Mein Schreck, als ich feststelle, dass KI-Anwendungen nach nur drei Wochen inzwischen in der Lage sind, feine Ironie und Wortspiele zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Die Chat-Robots werden bald viele der menschlichen Kommunikationsspartner ersetzen – in nicht wenigen Fällen wird das eine Verbesserung darstellen.
In der Berliner Zeitung ein Artikel über einen Kammerjäger. Ich kieke das Foto an und denke, den kennste doch! Genau: Der war vor zwei Jahren wegen der Taubenplage in unserer Hausanlage und gab uns Mietern individuelle Tipps. Nachdem ich ihm öffnete, flitzte er direkt zum Balkon und sagte, zackzack auf die jeweiligen Stellen zeigend: „Dit is n Krieg. Entweder bauste n Bunker, oder du schießt zurück. Hier, machen se Haken ran, hier ooch, Stahlseile spannen, Plane rüber, fertich. Dann hamm se aber natürlich keen Licht mehr. Oder se ballern zurück! Gehn se in nen Spielzeigladen und koofen da ne Wasserpumpgun. Damit schießen se den Tauben immer uffen Arsch. Det mögen die nich. Die merken sich det und bleiben dann weg. Viel Glück!“ Weg war er. Ich liebe es, wie Berliner uffen Punkt kommen.
Der NDR-„Ernährungsdoc“, der beiläufig rät, dass Vollverschleierte bitte Vitamin D substituieren sollen. Das vielleicht ja ein vollkommen neuer Markt. Ich mag die Ernährungsdocs. Die haben einen der wichtigsten Hebel für mehr Gesundheit und Wohlbefinden in den Mainstream der Jetztzeit gebracht. Dazu ne gute Vermarktung und Medienpräsenz. Unterhaltung, die Verzweifelten hilft.
Am Ostersonntag lese ich vor dem Einschlafen Briefe Ernst Barlachs, die er vor genau einhundert Jahren schrieb – gut, wenn man ab und an daran erinnert wird, wie die damaligen Lebensverhältnisse waren. Andauernd stirbt jemand an heute (zumindest in einen reichem Land wie der Bundesrepublik) einfach zu heilenden oder von vornherein vermeidbaren Krankheiten oder einfach an Schwäche. (1925 betrug die Lebenserwartung der Männer bei uns 55 und die der Frauen 58 Jahre.) In der vorbildlichen Briefgesamtausgabe von Suhrkamp wird zu meiner Freude ein Satz aus „Seespeck“ zitiert: „Tagelang lag er dann versteckt in seinem Bau, kochte selbst und las oder simulierte stillvergnügt im Verborgenen der allgemeinen Unentbehrtheit.“
