Helko Reschitzki, Moabit
Hatte heute in Friedenau zu tun und bin, wie immer, wenn ich in der Gegend bin, noch ein wenig durchs alte Viertel von Uwe Johnson geschlendert. Mäkelborgs Begabtester – aus dem Land gejagt und sich in der Fremde (nicht landesuntypisch) langsam und elendig zu Tode gesoffen. Wenn ich die Augen ein wenig zusammenkniff und nur minimal den Kopf drehte, konnte ich auf der Niedstraße den Schatten der neben mir herlaufenden Katze Erinnerung sehen …
Manchmal tippe ich auf Twitter Johnsons Namen ins Suchfenster und freue mich, dass sich bis heute vor allem junge New Yorker ganz ernsthaft über Nordwestmecklenburg austauschen, er hat diesen Flecken mit „Jahrestage“ auf die literarische Weltkarte gesetzt.

Anschließend führte mich mein Gang in die Schwartzsche Villa in Steglitz, wo ich Nina Fischers und Maroan el Sanis „Metakosmia“ sah – arg verkopfte Klimakunst-Videoinstallationen, inklusive der inzwischen inflationär zu sehenden schlecht animierten Wälder nebst dräuender Computermusik, die wie ein zurecht aussortiertes Tangerine-Dream-Outtake von 1973 klingt. Die Filmtexte fast schon beleidigend: „Du kannst mich kaum sehen – ich bin ganz klein – ich bin eine Ameise. Das gefährlichste Raubtier der Biosphäre 2 … Natürlich würden sich die Menschen über mehr Artenvielfalt freuen, und sie wären sicher froh, wenn es neben uns und der gemeinen Kakerlake noch andere Insekten gäbe … Voll Fake der Mensch! Immer Yo yo, hier komm ich Bro‘, alle anderen bitte abkratzen …“ Och, nö. Da nimmt ja jeder Pixar-Film seine vierjährige Zielgruppe ernster. Schade.
Durchaus passend fiel mir dann in der Deitmerstraße im Trödel ein kleines Buch über die Geschichte des Apfelanbaus in Berlin und Brandenburg in die Hände. Schon beim Durchblättern stieß ich auf einige sehr interessante Geschichten und Personen, so schrieb zum Beispiel der Pfarrer Johann Cöler in seinem 1595 erschienenen Garten- und Hausapothekenbuch: „Aber wan ich Oberkeit were, so wolte ich jnen mit ernst aufflegen, daß ein jeder Bawer dz Jahr zum wenigsten 6 oder 8 Stämme setzen und pfropffen und allerley Obst in die Gärten zeugen müste, das dienet der Besserung des gantzen Landes.“ Amen.
2°C, der Himmel wie mit einem DDR-Scheuermittel überzogen, nach den Sonnentagen kriecht die Luft nun wieder kalt in die Knochen.
