Christoph Sanders, Thalheim

Am Freitag Durchzug einer Regenwand. Mild. Angenehme Wechsel von flüchtigen Schauern, Wind und Sonnentupfern. Mit dem Sohn nochmal die Deutschabiturthemen: Goethe, Hofmann, Kafka, von Schirach. Ich tippe auf irgendetwas mit Faust: Faust und KI? Was wäre unser Mephistophelis heute? Es werden ja gerade viele Teufel an die Wand gemalt – das generiert Klicks. Noch ein Schulbrot und ab zum Bus. Bald ist die Seite umgeschlagen, das Buch der Kindheit geschlossen … ich sage es nicht. Auf dem Weg Rosenblütenblätter, von pinkrosa gehts über zu aprikose, eine kleine rosa Heckensorte, die intensiv duftet – ein irres Jahr. Die Girls bleiben heute im Bett: „Studientag“ – man hört die Seriendialoge hinunter bis in die Küche … in der es nach Marillenmarmelade und warmer Milch riecht.

Am Samstag wilde Wolkenberge mit kräftigen Böen; kurze, kraftvolle Schauer. Ich passe eine Lücke ab, um aufs Rad zu steigen: Es geht über Diabasgestein durch das Gladenbacher Bergland, über Haiger hinauf in den basaltigen Westerwald. Im Factory Valley Dilltal kühne Brückenkonstruktionen, die Schnellstraße läuft auf Pfeilern. Unten alte Dörfer, verbunden durch Chausseen mit Alleebäumen und Randstreifen, die Schilder ausgeblichen, die Leitplanken verbeult. Wo der Asphalt aufplatzt, sieht man Basaltpflaster. Das stammt aus der Zeit, in der die LKW maximal 60 Kilometer in der Stunde fuhren.

Neben einem REWE eine Flüchtlingscontainersiedlung – exakt das Muster der Rittal-Hallen im Maßstab eins zu zwanzig. Ich bekomme trotz umsichtigster Pausen dreimal eine Volldusche, sehe hunderte Berge, radle jubelnd durch Dorffeste, sorge dafür, dass ich immer genug Kalorien im Tank habe. Angenehme Bedienungen auf den Märkten – friedliche Dörfer, in denen die Leute fest auf dem Boden ihrer Möglichkeiten stehen: „Morgen wird der Garten gemacht!“

Pfingstsonntag müde und entspannt nach der Regensoloschlacht am Vortag. Von LP auf Kassette gezogen: Beethovens „Klavierkonzerte 2“ – ein souveräner Arrau mit der Staatskapelle Dresden unter Colin Davis. Vorher die Test-LP aufgelegt; die Nadel ist fit, fitter als meine Ohren, da sind 9000Hz plus leider futsch. Trotzdem immer noch das Gefühl, alles gut zu hören. Früher als verabredet die Teenies von der Kirmes abgeholt: Eintritt 8 Euro, 3 für ein Glas Apfelwein, das war es ihnen dann doch nicht wert. Um den Gemeindesaal herum massig Kids mit sehr homogenem, „artigem“ Erscheinungsbild. Was nichts am Alkoholpegel ändern wird, den sie gegen Mitternacht erreicht haben werden – so wie das hier nunmal Sitte ist … Wie zuletzt mit Kurzecks „Der vorige Sommer …“ zur Nachtruhe, das transzendiert in die eigenen Gedanken … Das gleißende Licht der Rhonemündung, das manische Verbessern der Typoskripte, die immer neuen Details. Thema in jedem Buch: wie er gerade an einem anderen schreibt.

