Helko Reschitzki, Moabit
Mittagsrunde durch den Großen Tiergarten, Ziel ist die LeihSämerei in der Bibliothek Tiergarten-Süd. Dort angekommen, stelle ich fest, dass deren Raum leer ist, ein Bibliotheksangestellter klärt auf: Das Projekt ist zwei Häuser weiter gezogen, in das „Kiez-Zentrum Villa Lützow“, gleich hinterm Gemeinschaftsgarten in der Lützowstraße, von wo auch ursprünglich die Idee der LeihSämerei ausging. Alles klar, Danke! Also gehts zwei Häuser weiter – mit kleinem Schlenker zum Garten, in dem ich schon so manch gute Stunde verbrachte. Alles noch so kräutervoll und wildbewachsen wie immer, in den Büschen toben die Vögel. Herrlich!
Das Prinzip der LeihSämerei ist sehr einfach: Man „leiht“ sich von anderen gespendete Samen aus, d.h. man füllt, was man braucht in Tüten, sät das dann irgendwo aus und gibt später etwas vom selbst gesammelten Samen zurück. Die Spenden werden so beschriftet, dass alle wissen, was sich ihnen befindet (Botanischer Name, Ernte- und Aussaatzeit, Herkunft …) Wer nur Saaatgut mitnehmen möchte, kann ebenso mitmachen, alles ist anonym – eine Art Tauschbörse, die ohne Direktkontakt funktioniert, wobei es aber auch persönliche Treffen bei gemeinsamen Aktionen und Klönschnacks gibt.
Wie ich zu meiner großen Freude feststelle, ist die Botanik/Garten/Saatgut-Buchsammlung mit zum neuen Platz gewandert, so dass wir weiterhin eine schöne Auswahl an Fachliteratur zum Nachschlagen und Schmökern vor Ort haben.

Nachdem ich mir ein paar Samensorten abgefüllt hatte, ging es dann zur Potsdamer Straße weiter, wo ich aus einem der Büchertrödel die Erinnerungen der Bäuerin Lena Grigoleit (1910-1995) aus Preußisch Litauen mitnahm; in einer moabiter Verschenkkiste fand ich später noch Gerhard Leibolds „Kräuterapotheke“ und „Die Natur hat immer recht“ von Maurice Mességué, Heilkundler und Öko-Bürgermeister der südfranzösischen Gemeinde Fleurance in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Gutes Saatgut und Lesefutter, was will man mehr.

Solcherart Saatgut-Tauschorte finden sich übrigens im ganzen Land (auch aufem Dörp) – in Bibliotheken, Stadtteilzentren, auf Bio-Höfen, bei Ökoinitiativen, in Kleingartenvereinen usw. Eine feine Sache – ich hole seit Jahren meine samenfesten Sorten aus Tiergarten-Süd.
