Walter Kintzel, Parchim
Können Kleingärtner Naturschützer sein?
(Im Gedenken an meinen 2024 verstorbenen Schulfreund und Gartennachbarn Lothar.)

Für Kleingärtner ist es notwendig, gewisse Beikräuter zu unterdrücken, denn sie stellen eine Konkurrenz zu seinen Gartenfrüchten dar, deren Ertrag er anstrebt. Die Nennung von Ackerwildkräutern (ökologischer Ausdruck) lässt bei vielen die Alarmglocken läuten, denn für sie sind das „Unkräuter“. Einige, wie Weißer Gänsefuß, Kletten-Labkraut, Quecke, Vogelmiere oder Melde, werden als moderne Gartenplagen angesehen. Doch in Wirklichkeit werden nur wenige Ackerwildkräuter zum Problem, das man bekämpfen muss, die meisten Arten kann man leicht tolerieren, so z.B. Acker-Stiefmütterchen und Acker-Vergissmeinnicht. Gerade regional typische Pflanzen sind für viele Tiere, insbesondere Insekten, besonders wertvoll. An diese natürliche Blütenvielfalt sind über 1200 Tierarten angepasst, so frisst beispielsweise die Raupe des Kleinen Perlmutterfalters ausschließlich an Acker-Stiefmütterchen.
„Unkraut“ ist der menschliche Begriff einer krautigen (= unverholzten) Pflanze, die an Stellen wächst, wo sie der Mensch nicht haben möchte, in der Regel weil sie mit den kultivierten Nutzpflanzen in Konkurrenz tritt und/oder bei der Ernte hinderlich ist. Sämtliche „Unkräuter“ sind ganz gewöhnliche Wildkräuter. Sie können Pionierpflanzen sein, weil sie auf wenig ertragreichen Böden wachsen und diese verbessern. Mit ihrem ausgedehnten Wurzelsystem bringen sie Hauptnährstoffe und Spurenelemente aus dem Unterboden herauf und bereichern sogar noch nach ihrem Absterben die oberste Erdschicht. Sie fungieren damit als Humusbildner und Nährstoffpumpen – Löwenzahn z.B. konzentriert Kalium-, Kalzium, Kupfer-, Eisen- und Magnesiumsalze. Indem der Kleingärtner nicht alle Wildpflanzen ständig vernichtet, nutzt er die Gratiswirkung der Natur, die er noch durch Zwischenfruchtanbau von Serradella oder Klee verstärken kann. Diese Stickstoffsammler reduzieren die Anwendung von mineralischem Stickstoffdünger.
Der Kleingärtner kann zur Artenvielfalt beitragen, indem er Pflanzen anbaut, die seine Nachbarn in ihren Gärten nicht haben, und er gewisse Pflanzen toleriert. Heimische oder „alteingesessene“ Arten stellen das unverzichtbare Fundament für Nahrungsketten dar. Es leben z.B. an den einhundert häufigsten Pflanzenarten der Äcker circa 1200 phytophage (= pflanzenfressende) Tierarten (ohne Blütenbesucher). Man rechnet weiterhin mit etwa ebenso vielen räuberischen oder parasitischen Arten, die wiederum von diesen abhängen. Von einem kontinuierlichen Angebot an Samen und einer reichen Insektenwelt sind andere Tierarten abhängig. Die Verarmung dieser Lebensgemeinschaften ist problematisch. In Wildkraut-Beständen entwickeln sich zahlreiche Tierarten, die gärtnerisch bedeutende Schädlinge (Blattläuse, Raupen) in Schach halten.
Mit einfachen Mitteln, kann der Kleingärtner dazu beitragen, dass sein Garten bienenfreundlich wird. Dazu gehören das „Aufmischen“ von Rasenflächen mit Frühlingsblühern (Schneeglanz, Hyazinthen, Krokusse, Schneeglöckchen und niedrigwachsende Tulpen sind dafür geeignet) – wenn später im Jahresverlauf die Grünflächen gemäht werden sollen, ist ihre Blütezeit längst vorbei.
Bei der Auswahl von Blumen sollte man darauf achten, dass keine mit „gefüllten Blüten“ angebaut werden, denn diese sind züchterisch so verändert, dass Staubblätter, die Pollenproduzenten sind, zu Farbträgern werden. In gefüllten Blüten finden Bienen weder Pollen noch Nektar. Das Anlegen einer bunten Bienen- und Schmetterlings-Wiese ist nicht nur die bessere Alternative, sondern stellt oft auch die „Krönung“ eines Gartens dar.
Über den Naturschutz hinaus wird der Gärtner zum Umweltschützer, wenn er tote organische Substanz recycelt und so in den natürlichen Kreislauf zurückführt. Dazu gehört der Schnitt von Sträuchern und Bäumen. Über den Komposthaufen gewinnt er wertvolles Material zur Verbesserung des Bodens und erhöht dessen Fruchtbarkeit. Der Komposthaufen ist die „Sparbüchse des Kleingärtners“. Für mich ist ein Kleingärtner, der keinen Komposthaufen hat, kein richtiger Kleingärtner!
Der „richtige Kleingärtner“
- baut Pflanzen an, die der Gartennachbar nicht anbaut
- lässt auch Ackerwildkräuter wachsen
- baut Zwischenfrüchte als Stickstoffsammler an
- lässt Stauden überwintern für Insekten und Vögel
- hat in seinem Garten einen Nistkasten für die Vögel und einen Steinhaufen für Eidechsen
- füttert Vögel im Winter und hat einen Laubhaufen für den Igel
- hat einen Komposthaufen
- geht sparsam mit Mineraldünger um, insbesondere mit Stickstoff-Dünger
- verzichtet auf chemische Schädlingsbekämpfung
So wird jeder Kleingarten zu einer Oase, zu einem „Paradies aus Menschenhand“!
