Frank Schott, Leipzig
Das Klassentreffen in unserer alten Heimatstadt Parchim war überraschend schön. Die meisten waren gekommen, einer ist bereits verstorben. Beim Blick auf die Mitschüler wird mir deutlicher als beim Blick in den Spiegel bewusst, wieviel älter man geworden ist. Die Patina des Vergessens und des Vergangenen hat alle Eifersucht, alle Streitigkeiten, alle Unzulänglichkeiten in versöhnliches Licht getaucht. Erstaunlich auch, wie Rabauken und Chaoten ihren Weg gegangen sind. Das gibt Hoffnung für die höchst verunsicherten eigenen Kinder.
Ich bin noch einmal gelaufen und erneut überrascht, in welch wunderbaren Umgebung ich als Kind aufgewachsen und wie wenig ich mir dessen bewusst war. Heute bin über Slate durch den Wald nach Kiekindemark gejoggt, über den Sonnenberg, und dann die Landstraße entlang zurück nach Parchim. Diesen Weg habe nie zuvor zurückgelegt.

An meinem ehemaligen Kindergarten, jetzt ein Freizeittreff, ging es in den Wald. Interessanterweise ist das bis auf wenige Abschnitte reinen Nadelwalds ein gut gewachsener Mischwald mit vielen Buchen und einigen Birken. Der Borkenkäfer dürfte es hier deutlich schwerer gehabt haben als in Thüringen, wo ganze Landstriche entwaldet wurden. Bekannt ist dieser Forst außerdem für seinen Bestand an alten Douglasien.
Jeder Fußgänger mit oder ohne Hund grüßt mit einem freundlichen Moin. Ein Mann, in den Sechzigern, versucht mit Hammer und Keil einen Baumstumpf zu spalten. In Kiekindemark sind Familien mit Kindern unterwegs und schlendern durch das Dorf.

Über die mit Birken begrenzte Landstraße weht ein eisiger Wind. Menschen- und fahrzeugleer ist der Abschnitt. Ganze fünf Autos und ein Motorrad kommen mir entgegen oder überholen mich. Zurück in der Weststadt begrüßt mich eine über siebzigjährige Frau mit Rollator, indem sie den linken Daumen nach oben streckt.
Heimatgefühle.
