Frank Schott, Leipzig
Freitag auf dem Weg nach Parchim, Anlass ist unser Klassentreffen zum vierzigjährigen Jugendweihejubiläum. Eigentlich eine hübsche, weil unübliche Idee. Der Bahnhof in Ludwigslust ist weiterhin eine Baustelle, aber ein Kiosk ist geöffnet. Dann riecht es überraschend nach Wald, weil auf dem benachbarten Gleis ein Zug mit Anhängern voller Holz halten muss. Es duftet nach Harz und Sägespänen, der Geruch hält sich auch noch einen Moment, nachdem der Güterzug seine Fahrt fortgesetzt hat.

In Parchim angekommen, muss ich mich erstmal vom langen Sitzen erholen und laufe eine Runde. Von der Weststadt, die in meiner Jugend jeder nur als „Weschstadt“ aussprach, geht es nach Slate. Hin den von Waldfahrzeugen arg mitgenommen Waldweg an der Elde entlang, zurück auf dem asphaltierten Radweg. Als Kinder waren wir hier am Wochenende oft wandern. In jeder eiszeitlichen Senke vermuteten wir den Eingang zu einer geheimen Räuberhöhle mit sagenhaften Schätzen. Heute würden mich die meisten Kinder vermutlich für verrückt halten, ins drei Kilometer entfernte Slate zu laufen. Der Waldweg sieht arg herbstlich aus, es sind kaum grüne Spitzen zu entdecken.

Die Brücke, über die früher russische Panzer rollten, gibt es nicht mehr. Die gesamte, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße ist weg. Stattdessen verläuft hier über eine schmale Brücke für Wanderer und Radfahrer ein asphaltierter Weg bis zur Kastanienallee. Das waren damals ein paar Häuser direkt an Wald und Feld grenzend, im Dunkeln selbst für Kinder der Kleinstadt gruselig. Jetzt ist der ganze Bereich zwischen Kastanienallee und Südring mit Einfamilienhäusern und deren Gärten belegt.
Ich laufe weiter durch das Buchholz, ein Wald, der sich auf der anderen Seite der Elde zwischen Parchim und Slate erstreckt. Die Freilichtbühne steht noch, robuster Stahlbeton aus der DDR, wo wir als Schulkinder nach dem Winter immer das Laub vom Vorjahr beseitigen mussten. Jetzt ist der ganze Bereich tot und verlassen. Aber damals, besonders zu Feiertagen, war das hier ein beliebtes Ausflugsziel.

Nach gut einer Stunde und knapp elf Kilometern bin ich fertig. Wie sehr sich selbst eine mecklenburgische Kleinstadt in 35 Jahren verändert, sieht man deutlichsten, wenn man sie erläuft.
