Christoph Sanders, Thalheim

Ein guter, klarer Sonntagmorgen. Der Preis für die frische Luft ist allenfalls eine gewisse Kühle. Nachdem ich am Samstag meiner Radgruppe zum Frühstück ein paar unserer Gartenäpfel servierte, ging es 90 Kilometer durch den sonnenbeschienenen Spessart, inklusive ausgiebiger Rast im Talgrund. Unterwegs kam uns einer der Mitfahrer abhanden – er hatte einen Parallelweg eingeschlagen und war gutgläubig dessen Schildern gefolgt. Über eine Stunde begegnete er keiner Menschenseele; nach neunzig Minuten hatte sein Smartphone wieder Empfang, so dass unser Besenwagen ihn aus dem tiefen, dunkelgrünen Spessart herausholen konnte. Auch wenn das Einatmen schmerzhaft war, haben die Tannenwälder meiner Lunge gut getan – ich fühle mich vom Sauerstoff komplett innerlich gereinigt. Im letzten Licht des Tages ging es durch Hanau zurück. Aus der heutigen Industrie- und Garnisonsstadt im tiefen Osten des Rhein-Main-Gebiets stammen Jacob und Wilhelm Grimm, Gin-Erfinder Franz de la Boë und Komponist Paul Hindemith. Der bekannteste Hanauer ist jedoch zweifelsohne Rudi Völler. Während ich unter den Lampionketten der Airplanes über diesen Großen seines Fachs sinnierte, senkte sich ein orangener Vorhang mit tintenschwarzem Zickzackmuster hernieder – und es ward Nacht.

Stuckrad-Barre in der Braunschweiger Zeitung in Höchstform. Er bringt die Dinge auf den Punkt wie nur ganz wenige. Als Beispiel für so eine stumpf-moralische Anleitungsliteratur hätte er gern „Momo“ nennen dürfen – solche Bücher verderben die Kinder. (Ende war für mich ein Doktrinär, der mit erhobenem Zeigefinger holzschnittartig platteste Botschaften verkündete.) Ganz anders Nabokov, der eine eigene, komplexe, ambivalente und tief poetische Welt erschuf – so eine, wie sie Prinz Charles der Gute, der spätere König von Zembla, im Spielzeugzirkus seiner Kindheit findet, wo der leicht depressive Clown, die drei welpengroßen Elefanten und die Akrobatenjungen mit den glitzernden Nackenhaaren einzig und allein für ihn tanzen.

Ein schöner, windiger, supersonniger Nachsommertag mit lohnender Nachernte der kleinen, süßen, roten Äpfel vom ersten Baum – die Greifhöhe des 1,90 Meter großen Sohn ist dabei äußerst hilfreich. Meine Mitradler berichteten alle von einem sehr reichen Obstjahr 2025. Doch wie verarbeitet man diese riesige Ernte, wo lagert man solche Unmengen, ohne dass sie vergammeln? Luxussorgen einer satten Gesellschaft voller Vitaminpräparate. Beim nachmittäglichen Abstecher in die Kreisliga A sehen wir zur Halbzeit ein 8:0 für Dorndorf 2. Woraufhin der Gegner WBG Weilburg, in dem Wissen, dass das Spiel nun nur noch 3:0 gewertet wird, einfach in der Kabine bleibt. Die Hälfte des Eintrittsgeldes gibt es aber nicht zurück. Trikotwerbung der Un-Fairplayer: Platin Herren Salon. Am Abend mit dem Sohn WM-Qualifikation Deutschland – Nordirland. Unsere Mannschaft eine Stunde wacklig und mit vielen Schnitzern, das Mittelfeld schwach, insgesamt fehlt Kampfmoral. Nach drei Wechseln wirds dann wesentlich besser – Deutschland gewinnt 3:1.

