Walter Kintzel, Parchim
Regeln der Holz- und Waldnutzung im Jahr 1761

Nachdem vor einiger Zeit eine Auswertung von Visitationsberichten der Pastoren in Mecklenburg erfolgte, soll hier beschrieben werden, welche Rolle Holz und Forst im Lübzer Stadtreglement von 1761 spielten. Es geht dabei um Aussagen, die sich direkt oder indirekt auf den Wald beziehen und für das Verständnis der Entstehung unserer gegenwärtigen Kulturlandschaft unerlässlich sind. Wenn man heute über die vorratspflegliche Nutzung von Naturressourcen debattiert, kann man feststellen, dass man dazu in Lübz bereits vor über 260 Jahren kluge Gedanken verbindlich festhielt. Die kleine Brauereistadt an der Elde gehört seit 1990 wieder zum neuerlich gegründeten Land Mecklenburg-Vorpommern – zum Vergleich zu den historischen Auszügen vorab einige Kernsätze des dortigen Landeswaldgesetzes (LWaldG, 2011):
– Der Wald prägt in Mecklenburg-Vorpommern die Landschaft und gehört zu den Naturreichtümern des Landes.
– Er ist unverzichtbare natürliche Lebensgrundlage der Menschen.
– Wald ist wegen seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) zu erhalten und zu mehren.
– Der Waldbesitzer ist verpflichtet, seinen Wald im Rahmen der Zweckbestimmung nach anerkannten forstlichen Grundsätzen so zu bewirtschaften und zu pflegen, dass die Nutzfunktion unter Berücksichtigung der langfristigen Wachstumszeiträume stetig und auf Dauer erbracht wird.
– Wald ist ein nachwachsender Rohstoff.
Dieses Nachhaltigkeitsprinzip geht auf Hans Carl von Carlowitz zurück, der es 1713 so beschrieb: Es darf nicht mehr Holz gefällt werden, als jeweils nachwachsen kann.
Das „Reglement für die Stadt Lübz“ mit seinen 156 Artikeln wurde 1761 durch Friedrich, von Gottes Gnaden Herzog zu Mecklenburg genehmigt, autorisiert und bestätigt. Damit wurde eine „beständige Richtschnur“ formuliert, an die sich der Bürgermeister, dessen Rat, die Worthabende Bürgerschaft und Gesamtbürgerschaft zu halten hatten.
Noch vor administrativen Fragen zur Verwaltung der Stadt, die die Bürgermeister und Ratsherren, Acht- und Viertelsmänner, weitere Stadtbedienstete, Bürgeraufnahme und das Schulwesen betrafen, ging es in den ersten dreißig Artikeln des Stadtregiments allein um die Ressource Holz, welches der wichtigste ländliche Naturrohstoff zu der Zeit war. Weitere zwanzig Artikel behandelten die Aufzucht und Mast von Tieren und ein weiteres Dutzend das seinerzeit leidige Thema Feuerbekämpfung.

Artikel 1 des Stadtregiments regelte die Aufsicht über die gesamte Hölzung, das Fällen, Messen, Erwerben, Bezahlen sowie Verkaufen. Holz wurde zu Brenn- und Bauzwecken genutzt und war einer der wichtigsten Rohstoffe bei der handwerklichen Herstellung von Gebrauchsgegenständen. Hudewälder dienten als Vieh- und Bienenweide, zur Laubfutternutzung und dem Waldfeldbau. (Siehe Blog-Beitrag „Der Wald im Spiegel der Pfarrberichte“, 02/03/2025.)
Die vorratspflegliche Nutzung, wie wir es heute bezeichnen würden, ist im Artikel 4 vorgeschrieben: „die bestmöglichste Erhaltung und wirthlichste Haushaltung der Hölzung äussersten Fleisses sich angelegen seyn zu lassen.“

Artikel 11 hält fest: „Ausser zur Feurung, nothwendigen Bauten und den in Holz arbeitenden Handwerken zu gute, soll eigentlich gar kein Holz verkaufet und veräussert werden. Erfordere es aber dringende Schulden der Stadt und andere nicht vorherzusehende Nothfälle so geschicht der Verkauf anders nicht, als in öffentlichen Licitationen, und dazu soll vor allen Dingen das auf den Aeckern und in den Remeln stehende Holz, genommen und die Waldung eher nicht berühret werden.“
Streng geregelt war auch das Sammeln von Holz: „Alle und jeder Einwohner sollen die Freyheit haben, in der Stadt-Hölzung des Dienstags und Donnerstags Lese-Holz und Fall-Holz zu sammeln und zwar ein jeder ein Fuder. Unter dem Lese- und Fall-Holz werden aber nicht begriffen, Bäume, welche mit der Wurzel umgerissen sind“ .
Das Holz soll „in Faden aufgeschlagen werden. Der Faden wird vier Fuß lang, sieben Fuß hoch und sieben Fuß weit gesetzt“ . Ein Mecklenburgischer Fuß entspricht 0,291 m. Für den Faden Blankholz waren 2 Thaler, für Wrackholz 1 Thaler und für Knüppelholz 32 Schillinge zu zahlen.
„Es dürfen auch zum Brennholz keine andere, als abgängige, oder auf dem Acker stehende, und daher demselben schädliche Bäume angewiesen werden“ (Artikel 18).
Verantwortlich für diese Vorgänge war der Stadt-Holz-Vogt. „Es wird beständig ein erfahrner Stadt-Holz-Voigt gehalten, vom Magistrat und der Worthabenden Bürgerschaft angenommen und beeidet“ (Artikel 95).

Die Artikel 40 bis 56 befassen sich mit der Mast und dem Hüten. „Ein jeder lasttragende Einwohner soll das Recht haben, ein Schwein einbrennen zu lassen, und in die Mast zu jagen.“
Für das Hüten war der Schweinehirt verantwortlich. Der „Rath nimmt die Hirten der Mastschweine an, und behandelt ihren Lohn so gut, als thunlich“ (Artikel 46). Ein individuelles Hüten war nicht gestattet, Zuwiderhandlungen wurden bestraft, das Geld war in die Stadtkasse einzuzahlen.
Eichen- und Buchenbestände waren für die Schweinehaltung von besonderer Bedeutung. Ein gebräuchliches Sprichwort aus dem Mittelalter erinnert uns daran: „Auf den Eichen wachsen die besten Schinken.“ Mit Eicheln gemästete Schweine liefern kerniges Fleisch und festen Speck. Nach Aussagen damaliger Zeitgenossen war das Geräucherte von Schweinen aus Bucheneckernmast im Vergleich dazu tranig im Geschmack.

Erwähnt wurden auch die Pferde-, Ochsen-, Kuh- und Gänsehirten sowie Schäfer. („Der Schäfer soll nicht über 20 Schaafe für sich halten.“) Liest man das alles, wird klar, warum die Hirten so oft im Mittelpunkt alter Märchen standen.
„Weißt du auch recht, wer ich bin? Ich bin kein Königssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Herde dort, das ist mein Vater.“ (Jacob und Wilhelm Grimm, „Die sechs Diener“, 1819)
„Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus, und sie trieben die Gänse aufs Feld.“ (Jacob und Wilhelm Grimm, „Die Gänsemagd“, 1815)
Die zugrundeliegende sowie weiterführende Literatur und andere Quellen können gern beim Autor angefragt werden. (botaniktrommel@posteo.de)
