Maria Leonhard, Spornitz
„Das ist des Jägers Ehrenschild, daß er beschützt und hegt sein Wild, waidmännisch jagd, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“ (Oskar von Riesenthal, königlicher Oberförster)

Mein Mann, Jäger und Jagdhornbläser, hat eine Einladung von Kameraden eines benachbarten Reviers erhalten – und ich darf mit! In einem schönen Hof, mitten im Wald, ist eine waidmännisch dekorierte Tafel aufgebaut. Die Jägerinnen und Jäger, die daran sitzen, sind in Gespräche vertieft. Es ist eine sehr angenehme Atmosphäre. Das Plätschern des kleinen, liebevoll gestalteten Teichs verstärkt die besondere Stimmung.

Unter einem Baum entdecke ich das in Eichenlaub platzierte Haupt des Hirsches, dem dieses feierliche Treffen gilt. Die Jägerin, die ihn erlegt hat, erzählt mir, er wäre ungefähr fünfzehn Jahre alt gewesen. Erste deutliche Altersmerkmale seien die starke Zurückbildung des Geweihes und die Nähe der Rosen zum Schädel. Um das genaue Alter festzustellen, müsste man den Kiefer in ein Labor einschicken und untersuchen lassen. Dafür wird dort ein Zahn aufgesägt.
Der Hirsch hatte sich mehrere Tage an der gleichen Stelle ihres Reviers gezeigt. Sie sah seine stark geschwollenen Gelenke und dass er einseitig erblindet war. Die einst aufrechte, stolze Haltung hatte er verloren. Er war krank – bald würde er sich niederlegen und langsam verenden. Diese Qual wollte sie ihm ersparen. Sie wartete eine ganze Nacht, bis sie ihn von seinem Leid erlösen konnte.

Ihm zu Ehren haben sich also die Jäger und Freunde versammelt. Für ihn blasen sie das letzte Mal die traditionellen Signale: „Jagd vorbei“, „Hirschtod“ und das „Halali“. Ein wunderschöner Brauch. Respektvoll und besinnlich. Für mich eine eindrucksvolle Erfahrung.
