Christoph Sanders, Thalheim
Eine zarte, umfassende Morgensonne bei herzerfrischenden minus 3 Grad. Den Hasen macht es nichts aus, den Vögeln auch nicht, das Frage- und Antwortspiel der Reviere beginnt lauter zu klingen.

Gestern mit der Frankfurter Radgruppe auf 200-Kilometer-Fahrt zum Hoherodskopf, dem Kulminantionspunkt vom Vogelsbergmassiv im Naturpark der alten Vulkanregion. Dieser Kopf wird gekrönt von einem 144 Meter hohen Fernmeldeturm, dessen Beton inzwischen reichlich schimmelig aussieht. Gegen Eissschlag ist ein gewaltige Stahlnetz über den Wald gespannt. Frankfurt in den Pastelltönen des Samstagmorgens und nahezu ohne Verkehr – ein fast poetischer Anblick. Unsere Tour führt an den Lebensorten von Guntram Vesper und René Pollesch vorbei, den wir in Sichtweite seiner Geburtsstadt Dorheim lautstark lobpreisen. Rast im Supermarkt in Lauterbach. Einem der Radfreunde und mir fallen die vielen älteren Leute auf, die sich so seltsam roboterhaft bewegen – Demente. Der schwalmtaler Bäcker bedruckt die Papierservietten noch in Sütterlin. Ein Mitfahrer berichtet von seiner Tour durch Kirgistan – die Talsohle liegt dort bei 800 Metern, in der Höhe sorgte die UV-Strahlung dafür, dass die Solarzellen am Navigationsgerät unentleerbar wurden. Das konnte uns glücklicherweise nicht passieren. Eine rundum gelungene Fahrt von Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang. Wie eindrucksvoll das Hinterland in seiner absoluten Stille ist.
Die gestrigen Bilder laufen immer noch durch meinen Kopf und der davon über, das ist nicht nur normal, das ist auch das Schöne an diesen Ausflügen. Auch wenn ich mich körperlich völlig verzehrt habe: Es hat sich gelohnt.

Mittags ein langsamer Übergang zur beliebten Familienbolognese – es wurde sich Nachschlag geholt. Die Hasen wiederum bevorzugten ihr kohlehydratiges Trockenfutter, bevor sie zu Möhren und Salat übergingen. Nach Frostbeginn steigt die Temperatur allmählich. Auf einen kristallenen Tag folgt ein diesig parfümierter, alle Konturen verschwimmen. Die Erde riecht bei plus 4 Grad wieder. Nun Antonín Dvořáks Violinkonzert mit Josef Suk. Der Glaube ans große Gefühl.
