Christoph Sanders, Thalheim
Und wieder geht die Sonne auf über der Elektronic Warfare Division. Pünktlich zum Dienst angetreten bei frostigen minus eins. Auf dem blauen Rad hinauf zum Lidl – Scheiben-Gouda kaufen. En bloc macht bei uns keinen Sinn, so schnell wird damit gesandwicht. Ein kleines Mädchen schreit nach Marsmelloooooows. Bekommt Prinzenrolle und drei Flaschen „Kinderfruchtsaft“ vom Papa. Na dann. Meine Gattin liebt Teebeutel (so sauber!) – ich hole wie immer den losen Greenlabel-Sencha von Alnatura. Bio-Paranüsse im Rossmann: 379 Cent für eine kleine Packung. Beginn der Gartensaison: Alle Markets voller Grüner Ware. Die Straßen der zwei Kleinstädte voll. Eigentlich schön. Heißt aber: Die hocken sonst zuhause hinterm Ofen. Beim Fleischer viele weißhaarige Kunden. Alte Paare, die halb gebeugt hineinschlurfen. Alt? Maximal drei Jahre älter als ich. Sechzig Jahre Domestizierung hinterlassen tiefe Spuren. Bei der Körpersprache bekomme ich den Drang, ins Freie zu flüchten.

Bearbeite mit dem Dreizack-Grubber den Weg. Jetzt weiß ich, was da anders ist: Die guten sind die mit geschmiedeten Zinken! Sehen immer ein wenig rostig aus. Gibts nicht an jeder Ecke. Mein Sohn kommt vom Basketball zurück. Habe noch einen kleinen Auftrag für ihn, gelte mitunter als Schinder. Amseln, Schlehenblüte, Prunusblüte. Abendstimmung. Essen fürs Team Thalheim zubereiten. Eines der Cellokonzerte von Camille Saint-Saëns: so angenehm und elegant. Wieder in „Rot und Schwarz“. Genial. „Der Mensch hat die Sprache erfunden, um seine Gedanken besser zu verbergen.“

Kleiner arte-Abend mit Befreiungskriegsreportagen aus Belgisch-Kongo. Peter Scholl-Latour mit kurzen, prägnanten Sätzen. Als für Lumumba russische Iljuschins landen und für Präsident Kasavubu Blauhelme operieren, begreifen die Journalisten vor Ort sehr schnell, dass sie dem Beginn eines Stellvertreterkriegs beiwohnen. Während die Städte in Aufruhr sind, geht es im großen Bergbaukomplex von Elisabethville (Kobalt, Kupfer und Uranium) nach wie vor fast so zu wie vor dem Aufstand, man erwägt sogar, einen eigenen Staat zu gründen. Das kann nicht gut gehen: 60 Prozent des kongolesischen Steueraufkommens stammen aus den Minen. Um sich gegenseitig abzusetzten, versuchen Kasavubu und Lumumba Verfasssung und Parlament zu missbrauchen. Dazu die Stammesordnungen der chef coutumiers, der traditionellen Oberhäupter der Eingeborenenclans. Man ahnt noch nicht, dass es Oberst Mobutu sein wird, der aus diesem Bürgerkrieg den Vorteil zieht. Es ist gut, wenn solche Beben schon im Entstehen ganz genau aufgezeichnet werden.
