Christoph Sanders, Thalheim

Zurück von der Südseite des Taunus, wo ich zusammen mit meinem mannheimer Freund im Rhein-Main-Delta unterwegs war. Zwei Tage auf dem Rad bei 35 Grad – den Wert grüner Alleebäume kann man nicht hoch genug schätzen! Mit uns auf der Straße 90% Pendler, die jeden Morgen und Nachmittag in den PKW steigen und einfach ihren Job machen. Hinter Mainz die Weinlagen der Rheinpfalz voller reifer Reben. In Worms bereitet man sich auf die Nibelungenfestspiele vor. Im Nordteil der Stadt marode Arbeitersiedlungen aus den 1920ern und ehemalige Kasernen, die zu einer Fachhochschule umgewidmet wurden. Ein Geflecht aus alten Versorgungslinien und moderner Infrastruktur. Die weite Ebene bis zum Odenwald sonnenverwöhnt, trocken, fruchtbar – bestens geeignet für Gemüse und Feldfrüchte. In der Ferne sieht man die blassblaue Höhenlinie des Mittelgebirges. Kurzhalt an den ehemaligen Fissan-Werken in Zwingenberg – ich erinnere mich noch an deren Wundpulver auf Milcheiweißbasis.

Ankunft in Mannheim. Angenehme Gespräche bei Pizza und Pils im Stadtwald. Viele der Wege sind wegen der Schweinepest gesperrt. Die Stadt befindet sich vollständig in der Infizierten Zone (Zone II) – große Banner warnen. Das alte US-Army-Veranstaltungszentrum ist jetzt eine Boulderhalle. Über die Siedlungen ziehen grüne Papageien – ausgewilderte Halsbandsittiche. Das im 50 Kilometer entfernten Darmstadt ansässige Werkstoff- und Biotechnologieunternehmen Merck hat inzwischen eine nahezu mythische Strahlkraft – Ausbau in Zeiten des schrumpfenden Wandels, sichere Arbeitsplätze, während überall im Lande über Nacht ganze Berufszweige verschwinden.



Die brutalste Hitzephase des Freitags durchlebe ich unter heißem Gegenwind auf einer Art Radautobahn, die parallel zur Bahnlinie Darmstadt-Frankfurt verläuft. Pralle Sonne über dem asphaltierten, glatten Fahrstreifen, der dann in Langen in den Zickzack einer Stadtrandbebauung übergeht. Die Erschließung neuer Flächen ist dort im vollen Gange – Nachverdichtung für Wohnungen. Ganz in der Nähe befindet sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Die Gigatransportmaschine Fraport, 15 Kilometer weiter, wird getragen von den Alltagsfluchtbuchungen der oben erwähnten 90 Prozent.

Die Hitze laugt völlig aus. Schatten im Frankfurter Stadtwald. Gerade so entkomme ich dem Hungerast. Bin froh, dass der Körper die 200 Gramm Feta aufnimmt: tierische Fette gehen bei den Temperaturen kaum – die kann der Magen während der Fahrt nicht verarbeiten.

Am Samstag Regeneration von der Hitzereise mit erfrischendem Nordwind und vorüberfliegendem Gewölk. Der Temperaturknick von 10 Grad kommt mir fast unwirklich kühl vor. Ich kann wieder Büsche beschneiden, ohne zu zerfließen. Wilde Brombeeren dazwischen. Erst essen, dann beschneiden. Überschießende Rosensträucher, 3 Meter hoch. Für das Laub werden wir zwei Grüntonnen benötigen. Die ersten Hagebutten leuchten orangefarbig herüber – Pastoureau schreibt, dass es einige Zeit dauerte, bis diese Zwischenfarbe im europäischen Raum Fuß fasste. Das Wort bezeichnete zunächst nur die Südfrucht im Wappen der Oranier und ein Weihnachtsgeschenk für Kinder nördlich der Alpen. Das Reiserennrad ist abgerüstet, die Taschen lüften aus, die Waschmaschine läuft. Am Montag geht die Schule los. Meine Kinder haben sich jetzt digital mit ihren Klassen bekannt gemacht, auch das Menu des Caterers wurde studiert. Dieser ist neu und verspricht gleich einmal Wunder nach all den Gruselgerichten seines Vorgängers.
