Frank Schott, Leipzig

Ich war in Quedlinburg auch joggen. Vorsichtig, da man ja weiß, dass mit einer Influenza nicht zu spaßen ist. Erst durch die Altstadt – schönes altes Pflaster, aber sehr unschön zum Laufen. Nach einem Kilometer in den Stadtpark. Die Wiesen waren mit Rauhreif bedeckt, ein Eichhörnchen rannte mir über den Weg, die Winterlinge hatten die Blüten noch geschlossen. Über den Abteigarten unterhalb vom Schloss ging es dann zurück.

Was eine Stadtführerin sagte, wollte ich nicht glauben: Erst in den 1970er Jahren sei für die Altstadt eine Kanalisation gebaut worden. Vorher mussten viele noch aufs Plumpsklo und Wasser mit Eimern herbeischaffen. Ab den 80er Jahren setzten Facharbeiter aus Polen dann die ersten Häuser instand, wofür sie wohl auch teilweise in Forumschecks bezahlt wurden. Die DDR hätte den alten Kram am liebsten abgerissen. Die Betonneubauten, die man außerhalb des Zentrums sieht, waren damals himmlisch, die Altstadt die Hölle. Es ist nicht nur die Wende, welche den Stadtkern gerettet hat, sondern auch der Kapitalismus. Denn um solche Häuser zu sanieren, muss man vernünftige Erlöse aus Mieten realisieren. Die waren in der DDR auf extrem niedrigem Niveau festgeschrieben und erlaubten nicht einmal die Instandhaltung, geschweige denn eine Modernisierung.

Ein anderes spannendes Problem, auf das uns die Führerin hinwies, ist der Streit zwischen Denkmalschutz und Architekten auf der einen sowie Bauherren auf der anderen Seite. Sie zeigte uns ein teilweise saniertes Haus, wo der Ausbau seit zwei Jahren stockt. Ein Grund: der Bauherr würde im Erdgeschoss gerne die Deckenhöhe von 1,70 Meter anheben. Nach oben darf er nicht, nach unten kann er nicht, weil es keinen Keller gibt. Und sobald er anfängt zu graben, kommen die Archäologen. Ein eher seltener Fall, aber es stehen wohl noch ein paar solcher Gebäude leer, in denen niemand wohnen kann – das Mittelalter ist ja vorbei. In vielen der krummen Häuser leben jedoch wieder Menschen und haben sich mit den Tücken der engen Straßen und schiefen Wände arrangiert.
