Helko Reschitzki, Moabit

Höre bei der Küchenarbeit die neue Folge des Pandemia-Podcasts – Thema sind Spiegelbakterien. Die Hosts Laura Salm-Reifferscheidt und Kai Kupferschmidt stellen beiläufig die interessante These auf, dass Louis Pasteur die Entdeckung der Chiralität (eine zentralen Grundlage der modernen Chemie und Biochemie) möglicherweise der künstlerischen Ausbildung verdankte, die er vor seiner Laufbahn als Wissenschaftler genoss. Im Rahmen dieser hatte er sich unter anderem mit der Lithografie beschäftigt, einem Verfahren, bei dem das Motiv spiegelverkehrt auf den Druckstein gezeichnet wird, was ein feines Gespür für Symmetrie und deren Umkehrung sowie ein sehr gutes räumliches Vorstellungsvermögen erfordert. Genau jener geübte handwerkliche Umgang mit Form und Spiegelbild soll ihn dann als Ersten dazu befähigt haben, winzige Abweichungen in der Symmetrie kristalliner Strukturen (später auch molekularer Formen) wahrzunehmen – und das, obwohl bereits zahlreiche Forscher vor ihm dasselbe unter ihren Mikroskopen betrachtet hatten. Diesen fehlte dabei jedoch anscheinend der spezielle Blick des Lithografen.

Auch am Schlachtensee sind für das wache Auge Abweichungen zu beobachten: Neben den Mandarinenten, die ihr Revier vom Südost- zum Südwestufer verlagert haben, gaben auch die Kormorane ihren angestammten Platz am Nordwestufer auf und ließen sich rund zwei Kilometer weiter nordöstlich nieder. Da sich an den grundlegenden Bedingungen wie Nahrungsangebot, Fressfeinden oder eventuellen menschlichen Störungen offenbar nichts geändert hat, kann ich nur mutmaßen, was dahinter steht. Passenderweise komme ich in der Bucht mit einem Mann auf die Anpassungsfähigkeit von Tieren zu sprechen, deren Verhaltensänderungen und Ortswechsel während der Corona-Shutdowns („Ganz ohne staatliche Ansage!“) Zu den Kormoranen meint er, dass die schon wissen, was sie tun und wir von außen ja gar keine Käfer im Holz oder Ähnliches sehen könnten. Dann erzählt er mir, wo ihm in der Nähe öfter mal Wildschweine über den Weg laufen – und verschwindet mitsamt Hund gen Grunewald …

Um 7 Uhr bereits 19 Grad Celsius (Luft), nachmittags 27. Wir kürzen unsere Tischtenniszeit von dreieinhalb auf zwei Stunden, machen individuelle Trinkpausen – ganz ohne Hitzeschutzplan des Senats.
