Christoph Sanders, Thalheim

Eiskalter Tagesbeginn mit Frost und scharfem Ost. Morgenkonzert ab 5:30 Uhr. Klarer blauer Himmel. Hochdruckwetter. Warmer Mittag. Wind ribbelt die Wasserfläche auf. Das Paar Laubsänger weiterhin am Uferrand aktiv. Bewegen sich unentwegt und schnell. Flattern kurz in der Luft auf, hüpfen von Zweig zu Zweig. Es müssen also schon winzige Fliegen da sein, denen sie nachstellen. Den Taucher sah ich nicht wieder, auch keinen Eisvogel. Dafür kürzlich meinen Lieblingsvogel: den Kolkraben. Ein schweres, älteres Exemplar. Saß gleich neben der Landstraße auf einem Baum. Da wir etliche Basaltkuppen haben, sind die hier nicht so selten. Gut erkennbar am Flug und gutturalen Klang ihres Rufs.
„Das Ende vom Ende der Welt“: Penetrante Vogelverschwinden-Essays von Jonathan Franzen. Dieser Stil! Man riecht die kreative Schreibschule. Dieser Inhalt! Wenn Du missionieren willst, wird die gesamte Welt zum Vogelkiller. Das ist dieser Eifer, der komplett die Grundlagen verlässt. Thus quoth the raven: nevermore.

Mit der kommenden Regierung ist wohl Schluss mit lustig, da wirds heißen: Das Dienstjahr waret auf Dich, tu was für deinen Staat. Die ganzen armen Schweine in die Kaserne, die übrigen kommen als Roboterbewacher in die Pflege oder Krankenhäuser. Diesmal sind auch die Damen dabei. Hurra, Gleichberechtigung. Habe dem Sohn dringend empfohlen, sich ein gutes anerkanntes Dienstjahr (FSJ) zu suchen, welches nicht zu demütigend ist, bevor die neuen Presser Big Brother und DienstjahresApp auf dem Smartphone klingeln. (Ich wünsche, ich bekomme Unrecht.)
Nicht nur in Sachen Alter und Migration sind wir eine Gesellschaft in Schieflage, bei der nun die hässlichen Kräfte der Ständegesellschaft wieder aufschimmern – uns fehlen insgesamt integrative Ideen. Man hält sich an irgendwelchen Retrotopien und Verklärungsformeln fest, sichert Besitzstände und schaut ansonsten weg. Die vielfältigen Möglichkeiten der Parallelwelten der Freizeitgesellschaft (ich lebe in einer!) vermindern den Realitätsdruck zusätzlich. Nebenschauplatz: Das allgegenwärtige, schrille Moralisieren, das mich fatal an die Ausschlusstechniken der philantropischen Kreise von Rotariern und Lions Clubs erinnert – die Guten wollen vor allem eines: unter sich bleiben.
