Christoph Sanders, Thalheim
Am Mittwoch eine graue Herbstzeitlosen-Runde. Beim Fleischer das Stielkotelett vom Tage, das ich dann gemeinsam mit dem inzwischen auch schon 1,70 Meter großen Kinde verpeise! Dazu gedünstete grüne Strauchbohnen, Orecchiette, in Aldi-Champagner gesottene Zwiebeln, Pfeffer, Salz, Thymian und Brahms‘ „Symphonie No. 3“ mit Wand und dem Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks.

Am Nachmittag sammle ich Haselnüsse. Der Wind stößt sie herab – bald werden sie von der Eichkatze geschnappt. Die Ziegen laufen dem Traktor entgegen, der ihnen das Wasser bringt. Zwei Frauen, Balkan oder Transsyslvanien, die Äpfel auflesen. Alles hängt voll reifer Früchte – die aktuellen Kilopreise um die 2,50 Euro werden nicht von Dauer sein. Abends kurz raus, um die späte Sonne zu genießen. Bei mir ist ein Wurm ist im System, mich fröstelt. Um neun zu Bett mit Salbei-Ingwer. Nabokov ist viel besser in Form als ich.

Donnerstagmorgen. Heftiger Infekt, krank im Bett. Der Ruhepuls 20 über normal. Der Kopf summt, die Beine sind wie Gummi. Gleiches Bild bei meiner Gattin, bei ihr schon seit Sonntag. Ich hole ihr einen Thymianzweig, dann inhaliert sie – im Unterschied zu mir hat sie auch noch einen starken Schnupfen. Nur kurz hoch, dann bis neun nachdämmern. Tee und 200 Milligramm Ibuprofen. Wirken lassen. Es hilft. Ich fühle mich zwar nicht gestärkt, aber leicht wie ein Ballon.

Die Wolken warten mit ihrer Entladung bis ich aufgestanden bin –
Schauerwetter, herbstlich. Tee und Schwitzkur. Ich denke, es ist wieder Covid19. Ich lese, dass die aktuelle Corona-Variante Stratus XFG heißt. Wenn es sich dabei um den x-ten Subtyp von SARS-CoV-2 handelt, stellt sich die Frage: Waren die bisherigen Impfungen womöglich nur von sehr begrenzter Wirksamkeit? Und sollte man vor diesem Hintergrund auch die empfohlenen Grippeimpfungen kritisch hinterfragen – zumal Influenzaviren ja noch schneller mutieren? Nu ja. Die für Samstag geplante Westerwaldrunde habe ich erst einmal auf Eis gelegt. (Aber man weiß ja nie, wie sich so etwas entwickelt!)

Weiter in „Pale fire“. Nabokovs Erzähler widmet sich jetzt dem zukünftigen Attentäter, der den König jagt. Das erste Thema des Buchs liegt in der ersten Zeile: die Doppelung der Welt in einer Scheibe, der ein Seidenschwanz zum Opfer fällt. Die Doppelung des Königes, die Vexierbilder des Lebens, der trügerische Schein der Freiheit. Mittendrin wird brillant eine alpine Wanderung beschrieben. Man muss so etwas mit dem Rückenmark lesen, nicht mit dem Kopf.

Nochmal Brahms‘ Dritte – diesmal Walter und das Philharmonic-Symphony Orchestra New York. Individueller als Wand mit den NDR-Musikern! Für mich ist diese alte Monoeinspielung von 1955 einfach die schönere Musik. Brahms ist ein norddeutscher Vulkan (wenn es so etwas gäbe) – da braucht es eine gewisse Elastizität, mal etwas ruhiger, mal etwas schwungvoller. Auch mit dem Rückenmark hören!

Für einen Moment kollabiert der PC beim Hochfahren – vielleicht Abwehrmaßnahmen? Ein nur kurzer, aber besorgniserregender Kontrollverlust. Der sich dann bei den Nachrichten des Vormittags fortsetzt: Die Vielschichtigkeit des Ukraine-Krieges. Die USA, die sich wohl in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand befinden – das Attentat auf einen Podcaster (!) mit Scharfschützentechnik, verpeilte Democrats, multiple Präsidialfeuerwerke in alle Richtungen, egal ob Freund, ob Feind. Und Europa im Nebel. 40% der deutschen Rentner bekommen WENIGER als 1000 Euro im Monat! Pfleger übernehmen immer öfter Arztaufgaben – das spart Geld. In der Ü40-Kaste gibt es viel zu viele Kinderlose ohne Migrantenkontakt, um auf Warnzeichen zu reagieren. Was mir gefiel: Zum Thema Wehrdienst spricht die Berliner Zeitung mit dem Bundesschülervertreter. Der letzte Drall aus den Unis und der Wissenschaft: Mit KI erstellte Arbeiten werden jetzt von KI-Sprachmodellen bewertet – das hat eine starke Logik. Eimerweise parasitenfreie Pflaumen – wir müssten pausenlos essen.

Am Abend Sherlock Holmes mit Christian Rode. Wir hören nur die Fassungen mit ihm – ein Könner! Der Ofen brennt. Die innere Kälte vertreiben. Die Dreckskrankheit soll verschwinden! Mein Flohmarkt-Hassan erzählte mir, sie hätten auf dem Bau, bevor es nach Hause ging, immer mit dem Kompressor die Arbeitsklamotten ausgeblasen.

Der Freitag sonnig mit Schauern. Sehr herbstlich. Ich schlief unter zwei Bettdecken, um den Infekt auszuschwitzen. Mit Kopfschmerzen erwacht, nach fünf Schluck Sencha flogen sie davon. Wanderung zum Supermarkt – drei Kilometer ist der nächste Versorgungspunkt entfernt. Die Schwalben sind noch da, und auch die Feldlerchen – ein paar stritten sich über den Stoppeln, das ist ein ganz eigenes Zwitschern. Am Haus sind sie nicht mehr zu hören. Auf Französisch heißt Lerche „Alouette“ – genau wie unsere Papiertaschentücher. Bei Penny gibt es wieder Covid-Tests, einige Kunden tragen Masken. Der volle Rucksack bereitet mir Schmerzen an der rechten Schulter – Spätfolgen des Fahrradsturzes. In aller Unvernunft habe ich mich nun doch zur Westerwaldrunde am Sonnabend verabredet. Es wird nach Navigationsgerät gefahren – da kann ich jederzeit abkürzen. Ich huste ab – langsam gehts besser. Frische Luft wird mir gut tun.

