Frank Schott, Leipzig
Das erste Mal seit drei Wochen wieder gejoggt. Kurz vor halb 10 Uhr neuer, halb 9 Uhr alter Zeit. Es musste sein, auch wenn Husten und Schnupfen noch immer nicht ganz weg sind – sechs Wochen dem Ausbruch der Influenza bei mir.
Am Ende war die kleine Auwaldrunde doch fast 6 Kilometer lang – die Macht der Gewohnheit – und anstrengend. Viel Neues und viel Altbekanntes auf meiner Strecke. In allen Schrebergärten blüht die Forsythie und setzt gelbe Farbtupfer. Zehn Kanuten verfolgt vom Trainer im Elektroboot streben das Elsterflutbett empor. Jemand hat endlich die abgerissenen Wahlplakate aus dem Wald entfernt. Die Bethanienkirche in der Stieglitzstraße ruft die Christen zum Gebet. Der Bärlauch bedeckt den gesamten Waldboden.

Beim SV Schleußig spielt die D-Jugend. Trainer brüllen Trainersätze: „Mehr Druck… Aufrücken… Zentrum dichtmachen… Nicht anlaufen …“ Die von den Fußballkids gehört, für einen Moment befolgt und in der Hitze des Spiels innerhalb von Sekunden vergessen sind. Ich erinnere mich. Das Einzige, was wirklich nachhaltig ist und länger als einige Augenblicke wirkt: Du musst einen Spieler namentlich aufrufen und konkrete Anweisungen geben. Alles andere ist Trainerfolklore. So wie das „Jeder hat einen“ des Torwarts bei der Ecke. Da fällt mir ein: Ich habe diese Woche meinen früheren Trainerkollegen getroffen. Ihn hat die Fußballlust wieder gepackt. Er trainiert jetzt die Bambinis, die nicht mehr mannschaftsweise, sondern 3 gegen 3 spielen. „Das fetzt“, hatte er gemeint und mich eingeladen zuzuschauen.
Ein Hund jagt einem Gummiball nach. Eine Mischung mit vermutlich 50 Prozent Terrier. Der Schwanz wedelt vor Aufregung nach links und rechts wie ein Scheibenwischer bei Starkregen. Raus aus dem Wald, am Spielplatz auf die Straße zurück. Ein ehemals knallgelber, jetzt verwaschen senffarbener Trabant tuckert vorbei. Das H auf dem Nummernschild erspart die grüne Plakette der Umweltzone.
37:50 Minuten. Die Zeit zählt heute nicht. Aber es ist unglaublich, was vor der Hüfte abwärts alles weh tut. Ich bin total aus der Form. Ich hatte nach meinem privaten Halbmarathon im Winter damit geliebäugelt auf der Halbdistanz am Leipzig Marathon teilzunehmen. Doch der ist bereits in zwei Wochen. Dann vielleicht im nächsten Jahr. Solange es mir gut genug geht, wieder regelmäßiger zu laufen, passt es schon.
Und wir haben gestern Bärlauch-Butter gemacht – mit dem eigenen Bärlauch aus dem kleinen Hochbeet. Zwei Pflanzen waren es vor etwa sechs Jahren. Jetzt ist ein Drittel des Beets damit bedeckt – genug zum Ernten.
