Frank Schott, Leipzig
Wie bereitet man sich auf einen Halbmarathon vor? Ganz sicher gibt es Bücher. Und vermutlich Tutorials im Internet. Mit Laufplänen und Trainingsprogrammen. Voller kluger Tipps.
Ich bin einfach losgelaufen.
Seit ich vor fast zwei Jahren einen schweren Fahrradunfall hatte, habe ich nach der Physio verstärkt mit dem Joggen angefangen. Und weil das gut ging, wurden die Strecken länger. Und die Zeiten besser. Dann fragte mich ein Freund, ob ich nicht einmal einen Halbmarathon laufen wolle. Ich sagte, nee - das wären ja zwei Stunden. Aber am Sonnabend dachte mir, ich probier's doch. Ich fühle mich fit. Ich bin schon Strecken über zehn Kilometer gelaufen. Ich bin auch schon für zwei oder drei Stunden mit dem Rennrad unterwegs gewesen. Also tu's.
Was ist die größte Herausforderung, wenn man einen Halbmarathon laufen will? Abgesehen von den üblichen Dingen wie Kondition und ausreichend aufgenommene Kalorien? Die Strecke! Wo findet man diese ominösen 21,1 Kilometer langen Strecken, wenn man nicht zufällig ein Laufevent mitmacht?
Wie gesagt, ich bin einfach losgelaufen. Spontan. Wenn ich laufe, dann laufe ich eigentlich ohne großen Plan los. Hier kam mir aber der Halbmarathon in den Sinn - und somit die 21,1 Kilometer. Ich müsste so lange rennen, bis die Länge passt.
Der Startpunkt am Auwald ist der gleiche wie vor einer Woche. Raus zum Cospudener See, einmal um den See herum, dieselbe Strecke zurück. Mal sehen, was dann der Tracker sagt.
Die erste Stunde ist phänomenal. Temperaturen um null Grad. Eine schräg stehende Wintersonne. Sehr wenige Menschen unterwegs. Ein paar Einzelgänger mit Hund. Zwei ältere Damen auf ihrem Morgenspaziergang. Vereinzelt Radfahrer.
Bis zur Bistumshöhe, genau genommen bis unmittelbar vor dem Abzweig, brauche ich etwa 45 Minuten. Die Anhöhe liegt zwischen dem Cospudener und dem Zwenkauer See. Sie ist 131 Meter hoch und wird von einem Aussichtsturm gekrönt. Ich sehe den Turm zunächst als Schemen gegen die tiefstehende Sonne und dann, als ich vorbei bin und mich umdrehe, leuchtend im Sonnenlicht. Möwen kreischen, eine Krähe kräht, Spatzen zanken, ein Hund bellt. Im nahegelegenen Gehege haben es sich Alpakas gemütlich gemacht und kauen kauernd vor sich hin.

Unglaubliches Licht. Der Zöbigker Hafen leuchtet wie eine Fata Morgana am Horizont. Inzwischen bin ich weit über eine Stunde unterwegs, stehe aber laut Tracker erst bei 14 Kilometern. Fehlen noch 7,1.
Ich habe mittlerweile Markkleeberg hinter mir gelassen. Stand: 17 Kilometer. Der direkte Weg mit einem kleinen Abstecher durch den Wildpark ist definitiv zu kurz. Also laufe ich einen Schlenker, den Floßgraben und die Pleiße entlang zum Probsteisteg. 19,4 Kilometer. Die restliche Strecke zum Ausgangspunkt sind vielleicht drei- oder vierhundert Meter. Noch zu wenig. Da hilft nur eine Extrarunde am anderen Ufer der Pleiße, über einen Waldweg, der bei Hochwasser als Damm dient, zur Neuen Linie. Ein Mann steht im Wald. Um ihn herum Kinder, die auf umgestürzten Baumstämmen herumklettern. Die Neue Linie. Das asphaltierte Stück. Ich fühle mich gut und überhole zwei Jogger. Noch ein kleines Stück. Punktlandung.
Geschafft! Die App zeigt exakt 21,1 km an. Mein erster Halbmarathon! Und meine Zeit? 1:52:03 h. Nicht übel. Aber was mich am meisten überrascht hat: Der Wald, der See, die Tierstimmen, das Licht, die Farben und die Weite, die Gerüche und die Laute der Natur um mich herum – das Laufen war zwar anstrengend, aber vor allem war es beeindruckend schön.

