Christoph Sanders, Thalheim

Am Montag wieder in Berlin. Den Nachmittag in Moabit verbracht. Als ich mich von dort aufmache, erwischt mich der stärkste Regen, den ich seit Wochen erlebt habe. Ich flüchte unter die Brücke am Grips-Theater. Während ich warte, fange ich Helga Schuberts „Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe“ an. Tabuthema Pflege des Partners. Die Erinnerung an die gemeinsamen Tage. Muss an ein aktuelles taz-Stück über „Feministischen Sex“ denken – was würde die Autorin wohl zu Helga Schubert und deren Blick auf ihren Mann sagen? Diese bedingungslose Liebe? Sie würde es wahrscheinlich Unterwerfung nennen – das Wort Liebe taucht im gesamten Artikel nirgends auf. Der Begriff Partnerschaft auch nicht, es werden nur Funktionalitäten verglichen und im Grunde tiefe Verklemmtheiten offenbar, die Unfähigkeit, über die eigenen Wünsche zu sprechen. Ein Instinktverlust, wie wir ihn ja auch auf anderen Ebenen sehen. Meine Empfehlung: Einfach mal die nonverbalen Absprachen eines Streichquartetts anschauen. Was synchrones Atmen möglich macht. Blickkontakt. Beim Musizieren kann keiner nur an sich denken.

Familientreffen im gentrifizierten Kreuzberg. Die Kinderschar ist über das Essen beim Griechen begeistert. Kaninchen schmeckt wirklich sehr gut – sagen unsere beiden Kaninchenhalterinnen. Der Sohn genießt seine Schweinemedaillons und einen Gin Tonic. Meiner Frau reicht ein Salat. Mein Oktopus hat nur zwei Arme und die waren verbrutzelt wie Röstebrot, bei dem der Toasterhebel klemmt.

Zurück in der Prignitz. Durchwachsenes Wetter – seit gestern hat es fast 10 Millimeter Niederschlag gegeben, heute regnets in Schüben. Ein Juli, wie er von der Presse vor ein paar Jahren noch als typisch deutsch und völlig deprimierend beschrieben wurde. Zum Frühstück Tee, Kaffee und unser schwarzes Johannisbeergelee. Später kleines Zeitfahren nach Havelberg. Lücken im Netto-Regal – ausgerechnet die Bio-Walnüsse fehlen. Muss bei den Gewürzen lange suchen, bis ich eine Kräutermischung mit Thymian finde. Glücklicherweise gibt die Firma Ostmann den Inhalt auf der Rückseite an – so wurde die seit einer Stunde vor sich hinsimmernde Bolognese perfekt. In der ehrenamtlich betriebenen Buchstation eine riesige Auswahl. Wirklich alle deutschen Klassiker. Viel Internationales. Ich nehme Turgenjew, Faulkners „Schall und Wahn“ und Puschkin im Artemis-Dünndruck mit, dazu „Hard drive“ von Art Blakey’s Jazz Messengers (CD). Das alles gegen eine kleine Spende. Ich werde sehr bald zurückkommen.
