Maria Leonhard, Spornitz

Laut Navi soll die 850-Kilometer-Fahrt ins baden-württembergische Fürnsal neun Stunden dauern. Als Flachländer habe ich einen Heidenrespekt vor Serpentinen, schmalen Straßen und versteckten Blitzern in verwinkelten Ortschaften. Deshalb benötige ich 10,5 Stunden. Es kommt mir so vor, als läge der 450-Seelen-Ort hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Ich will mich dort für ein paar Tage erholen, und in der Tat, streift dieses Fleckchen mit seiner Ruhe ganz schnell all‘ meine Hektik und Unruhe ab.

Mein helles Hotelzimmer mit seiner himmelblauen Tapete und der Rosenbordüre gefällt mir sofort. Durch die große Fensterfront habe ich einen wundervollen Blick auf das Grün der Bäume und einen weinroten Schmetterlingsflieder. Eigentlich müssten sich darin, so kenne ich es aus meiner Kindheit, Schmetterlinge tummeln – nicht einer ist zu sehen! Beim Rundgang durch das sehr gepflegte, in den fünfziger Jahren erbaute Hotel fallen mir die schön gearbeiteten Möbel auf. Ich habe Freude daran, die Details dieser ehrwürdigen Zeugen alter Handwerkskunst zu entdecken. Auf meiner Terrasse ist es still, richtig still. Am blauen Himmel löst sich in ganz kurzer Zeit die einzige Wolke auf. Faszinierend. Ich genieße die Ruhe, bis die Mücken kommen und die Sterne blinken.

Am nächsten Morgen drehe ich meine erste Runde durch das Dorf. Ich begegne niemandem. Alles ist ruhig, nur meine Schritte sind zu hören. Über einen Zaun hängende Himbeeren verleiten mich zum Naschen. Ich gehe über abgemähte Felder und Wiesen, vorbei an Obstbäumen, scheinbar verwilderten Gärten, und erreiche den Wald. Jetzt begleitet mich Vogelgezwitscher. An einem Brombeerbusch stille ich meinen Hunger. Er ist wie eine Waldgaststätte. Im Stillen danke ich der Natur.

Während des Mittagessens auf der Terasse blicke ich auf einen weiteren Schmetterlingsflieder. Nur zwei Kohlweißlinge, ein paar Bienen und Schwebfliegen suchen eifrig nach Nektar. Doch dann entdecke ich ein Taubenschwänzchen! An seinem Schwirrflug und der Art der Nahrungsaufnahme kann ich ihn leicht erkennen – er ist der Kolibri unter den Schmetterlingen. Der Schwärmer saust so schnell von einer Blüte zur nächsten, dass ich ihn nicht fotografieren kann. Schade! Die Ruhe der Mittagspause wird nur vom Lärm am Himmel unterbrochen. Es ist ein Flugzeug mit einem ganz kurzen Kondensstreifen. Inzwischen ein seltener Anblick.

Am Nachmittag unternehme ich erneut einen Streifzug durchs Dorf. Es ist heiß und immer noch ruhig. Ein für das Taubenschwänzchen typisches Brummen weckt meine Aufmerksamkeit. In einem der Vorgärten nutzen mehrere dieser Schwärmer einen Phlox und einen weißen Schmetterlingsflieder als Nahrungsquelle. Dieses Mal gelingt es mir, gleich zwei Falter zu fotografieren. Schade nur, dass sich mein Handy als ungeeignet erweist und sie unscharf sind. Ich tröste mich damit, dass die Taubenschwänzchen in warmen Sommern bis zu uns in den Norden wandern. Vielleicht ist ja bereits eines da, wenn ich heimkomme.

