Helko Reschitzki, Moabit
Nach dem Frühstück gehts flugs nach Schöneberg zum Flohmarkt „Flowmarkt“. Kurz nach Öffnung bereits ordentlich was los, an den Ständen Privatleute, die meist Kleidung anbieten. Da bin ich nicht Zielgruppe, entdecke aber Knausgårds „So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche. Edvard Munch und seine Bilder“, das ich mitnehme, obendrauf gibts ein nettes Gespräch mit der Verkäuferin. Vom Maler sah ich 2023/2024 zwei fantastische Ausstellungen in Berlin und Potsdam, vom Autor verschlang ich die sechs Bände der Reihe „Min Kamp“ und zuletzt das Anselm-Kiefer-Portrait. Knausgård schreibt auf eine sehr interessante Weise über Kunst – da freue ich mich auf die Lektüre, die schon mal prima losgeht mit einer mäandernden Meditation über Munchs Kohlacker.

Wieder zuhause höre ich beim Abwasch und der Mittagszubereitung das Gespräch von Bastian Barucker mit Prof. Dr. Ullrich, Chefarzt einer sächsischen Klinik, der sachlich von seinem Krankenhausalltag 2019 bis 2023 berichtet – dem Irrsinn der politischen Vorgaben, dem Fehlen von Daten und Interdisziplinarität, dem Ignorieren bewährter Behandlungsprotokolle, der Angst vor dem Jobverlust, wenn man all diese Probleme ansprach … Ein wertvoller Beitrag zur Aufarbeitung der hiesigen Coronamaßnahmenkatastrophe, deren Auswirkungen wir als Gesellschaft noch gar nicht voll erfasst haben.

21° Celsius und Sonnenschein – da kann ich nicht widerstehen und packe das großen Handtuch und die Thermoskanne ein und fahre zum Schlachtensee: Anbaden. Neben mir zwei Männer die justament dasselbe tun. Jeder von uns mit anderer Taktik: Der Jüngere recht forsch ins Wasser, einmal kurz in die Knie und wieder raus. Icke ganz langsam rein und ein paar Minuten drin, inklusive Abtauchen bis zur Brust. Der Ältere wiederum immer wieder hinein und hinaus, nie tiefer als bis zu den Oberschenkeln. Nach dem Rauskommen klettert er in einer vollkommen bizarren Technik auf einen über den See ragenden Ast, um sich dort aufzuwärmen. Dabei klopft er mit den Handinnenflächen seinen Körper ab. Nach ein paar Minuten verlässt er den Baum wieder und schlurft erneut ins Wasser, wobei er jedesmal eine Art Klagegesang anstimmt, der eher an etwas Animalisches als Menschliches erinnert. Warum auch nicht – wir verbinden uns da ja gerade mit dem Element, aus dem einstmals unsere mikroorganistischen Vorfahren kamen. Der Ältere und ich sind uns einig, dass es „noch ganz schön kalt zum Baden ist“ – die Messstelle im Wolfsschluchtkanal, der die Krumme Lanke mit dem Schlachtensee verbindet, vermeldet 11,9°. Nun ja. Umso intensiver einer meiner alljährlichen Höhepunkte: Die erste Tasse Tee nach dem ersten Draußenbad. Die Wärme dringt nicht nur in jeden Fitzel des fröstelnden Körpers, sondern bis in die Urtiefen der Seele.

Während ich trinke, beobachte ich ein Blässhuhn beim Nestbau. Das macht wie mein Mitbader seltsame Geräusche, die in diesem Fall allerdings eher monoton maschinell klingen – nur wenn es von drei Stockentenmännchen und einem -weibchen immer wieder aufs Neue aggressiv angeschwommen wird, wechselt die Ralle zum mir bekannten Blässhuhnsound. Faszinierend.

Auf dem Rückweg treffe ich auf dem S-Bahnhof, durchaus passend zum Palmsonntag, auf sieben Nonnen, von denen eine Nordic-Walking-Stöcke dabei hat. Eine andere erzählt eine offensichtlich sehr komische Story, die sich am Bahnhof Zoo abgespielt hat, leider bin ich zu weit weg, um Genaueres zu verstehen. Selbstverständlich gehe ich näher ran. Nun berichtet eine andere der Damen von einer Klosterkatze, die sich hinter einer Kommode versteckt hatte, so dass „es dort immer nach Katze roch“. Das Einfangen gestaltete sich wohl ziemlich schwierig – leider kam dann die Bahn, so dass ich das Ende der Geschichte verpasste.
