Helko Reschitzki, Moabit
Broschierte Rädigegeflechte, Handschmäler, Haselnussspanteiler, Knickschneider, Geschlagene Arbeiten, Weidenschälklemme, Wulstwickeln … oft sind es die einem noch unbekannten Begriffe, die neugierig machen und an denen man sich dann staunend entlanghangeln kann, wenn man etwas tiefer in eine Welt vordringt, die man bislang nur oberflächlich und vom Rande aus kannte.
Und so wurde ich gestern also von all diesen Wörtern an die Hand genommen und durch die Ausstellung „ALL HANDS ON: Flechten“ geführt. Im „Museum europäischer Kulturen“ werden noch bis Ende Mai in vier großen Räumen Objekte aus verschiedenen Regionen unseres Kontinents gezeigt, die in der Jahrtausende alten Technik des Flechtens angefertigt wurden. Außerdem gibt es Materialien, Werkzeuge, Portraitfilme und einige zeitgenössische Kunstwerke zu sehen, wer mag, kann sich Musik anhören, die anhand der Muster von Körben komponiert wurde. Das Ganze mit Bedacht ausgewählt und in Themenbereiche gefasst und textlich sehr gut begleitet.
Vieles war mir gänzlich neu, anderes wiederum sehr vertraut – beim Anblick des 60er-Jahre-Fahrradsitzes, der Obst- und Kartoffelkörbe aus Niederfinow oder der Lustigkume aus der SR Vietnam kamen mir so einige Erinnerungen: damit bin ich aufgewachsen, das haben wir zuhause wirklich benutzt … und mein Vater hätte ganz gewiss den Haubenkorb aus seiner alten Heimat Ostpreußen wiedererkannt.

Bei Freunden der Luftfahrt dürfte der Korbstuhl aus der Kabine des Zeppelins LZ 120 „Bodensee“ von 1919 auf Interesse stoßen, so wie sich Imkerinnen garantiert an den 120 Jahre alten Bienenkörben vom Balkan erfreuen werden, der Weinkenner am Traubenkorb aus Portugal, und alle gemeinsam am schwedischen Waldbeerensieb aus dem Jahr 1900 oder der Anglertasche aus Norwegen. Das ist Handwerkskunst auf höchstem Niveau, alltagstauglich und dabei sehr ästhetisch – man kann sich nur verneigen vor all den Flechtern und Flechterinnen, die das hergestellt haben, und dabei oft von der Hand in den Mund leben mussten – reich wurde man mit dieserart Arbeit zu keiner Zeit.

Ein schöner Bonus waren die von Kindern der Erich-Kästner-Schule sowie der Gartenarbeitsschule in Steglitz-Zehlendor errichteten Weidenbauten, die man im Hof bestaunen konnte. Knorke, Kids!

Ein wie immer lohnender Ausflug in das sympathische Museum in Dahlem-Dorf mit seinem ausgesprochen freundlichen Personal. Beim nächsten Mal schau ich mir in der Sámischen Sammlung die Ritzzeichnungen an, wer weiß, welche Begriffe ich da kennenlerne.
