Helko Reschitzki, Moabit

Mitte der Woche ist es so schwül, dass die knackigen Salzbrezeln, die ich aus der Tüte in eine Schale schütte, innerhalb weniger Stunden weich werden. Klebrige Morgen, klebrige Tage; Schauer kühlen die Luft ab – die ist dann perfekt. Donnerstagfrüh ist es so neblig, dass man die Spitze des Funkturms nicht mehr sehen kann. Die LKW-Fahrer, die unsere Kauf- und Lagerhallen mit Nachschub versorgen, haben aber noch genügend Sicht und fädeln sich wie gewohnt in die Stadtstraßen ein. Vor, hinter und neben ihnen zieht der Rest der Malocherkarawane im motorisierten Individualverkehr – Tagesbusiness, Montag bis Freitag. In meiner Schlachtenseebucht ist vom Rauschen der Güter kaum noch etwas zu hören – hier wird die AVUS ganz leise. Die Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße wurde 1921 als weltweit erste reine Autostraße in Betrieb genommen und durchschneidet seitdem den 10.000 Jahre alten Grunewald. „Die Fahrbahn ist ein graues Band / Weiße Streifen, grüner Rand.“

In der Bucht taucht von den drei verbliebenen Stockenten jetzt nur noch eine auf. Monatelang waren viele der Wasservogelbewegungen nachvollziehbar, oft sogar vorhersehbar, seit dem Verschwinden der Blässhühner nicht mehr. Die Lage auf dem Schildkrötenbaum ist hingegen stabil – an sonnigen Tagen zeigt sich mindestens eine der beiden Europäischen Sumpfschildkröten, selten auch das Exemplar der von mir noch nicht identifizierten Art. Die Graureiher und Kormorane halten sich dort vollkommen wetterunabhängig auf. Die Brombeersaison ist nunmehr als abgeschlossen zu betrachten.

Da meine Alepposeife aufgebraucht ist, kaufe ich am Samstag im Besucherzentrum der Museumsinsel neue. Danach durchsuche ich das Internet nach aktuellen Informationen zu den Manufakturen, die während des Krieges fast alle ins Ausland fliehen mussten und dort die Produktion fortsetzten – leider stammen die letzten Berichte, die ich finde, von Ende 2024. Am Sonntag in der Bucht ein interessantes Gespräch mit zwei älteren Damen und einem Herren, die dort jedes Sommerwochenende nach ihrer Schwimmrunde Croissants essen. Sie erzählen, dass sich die Sauberkeit und Sicherheit am See durch die Parkranger, die es seit vier Jahren gibt, sehr verbessert hat. Demnächst sollen die Renaturierungsflächen ausgeweitet werden, was sie (und ich) begrüßen. Für mich ein frappierender Unterschied zum Plötzensee, wo die Behörden so ziemlich alles falsch machen.

Worauf man sich hundertprozentig verlassen kann: Wo auch immer zwei volle Feuerwehrwagenbesatzungen zusammenkommen und Kollegen beim Testen eines neuen Rettungsbootes assistieren, wird wirklich jeder Witz gemacht, der nur denkbar ist: „Wenn du den anderen Knopf drückst, kriegste nen schönen Mittelstrahl.“ „Nicht so dolle! Gehs erst mal langsam an – stell dir einfach vor, das ist deine Frau.“ Das Ganze unabhängig vom Geschlecht der Feuerwehrleute.

Essentielle Lebensverbesserung: Ein vielleicht zehnjähriger, blinder Junge steht mit seiner Mutter auf dem S-Bahnhof Nikolassee. Er bespricht mit einem Chatroboter Zugausfälle, Umleitungen und Anschlüsse. Nebenbei stellt sich raus, dass er irgendwohin möchte, wo seine Mutter auf gar keinen Fall hin will. Daraufhin er: „Können wir uns nicht absichtlich verfahren?“ Beide müssen lachen.
