Christoph Sanders, Thalheim
Seit Anfang der Woche versammeln sich die Krähen wieder am Kirchturmkreuz, ihr Ruf ertönt noch vor den Türkentauben. Der Rotschwanz kommt ans Fenster – mal sehen, ob er über den Winter bleibt. Der Samstag startet ruhig – und mit würziger Luft: Es wird gedüngt. Über mir packt unser Teenie rumpelnd den Koffer prallvoll. Der Zug, der sie nach Frankreich zur Gastfamilie bringen wird, geht kurz nach elf. Große Verabschiedung von ihren Geschwistern – ich verlasse diskret die Küche. Die Schwalben fliegen heute sehr hoch.

In der HNA ein Gespräch mit der Hydrogeologin aus dem Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Sie spricht fachkundig über die Lage in Nordhessen: Die Grundwasserspeicher sind gefüllt. Das Trinkwasser wird seit den 1960ern hauptsächlich aus Tiefenbrunnen gewonnen, da Quellen nach Regenfällen Krankheitserreger enthalten können. Ob die Grundwasserneubildung stockt, kann man nicht sagen, da die Messzeiträume zu kurz sind. Aus Südhessen ergänze ich, dass wir eine andere Wasserinfrastruktur nutzen: Frankfurt bezieht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, einen Großteil seines Trinkwassers von Gemeinden im Vogelsberg, und in Ried infiltriert man künstlich aufbereitetes Rheinwasser. Mal sehen, wie sich das alles entwickelt. Wenn ich an die Pegeltiefstände des Rheins denke, befürchte ich, dass die Schifffahrt irgendwann nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sein wird – nicht auszudenken, aber es muss gedacht werden. Der Rhein ist die deutsche Lebensader schlechthin: Hier konzentrierten sich seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts Industriezentren, Handelsrouten und Logistikdrehscheiben. Die Wasserfachfrau ist angenehm sachlich, was heutzutage Seltenheitswert hat – im DLF wurde am Morgen allen Ernstes behauptet, dass eine Neuvernässung der Moore notwendig sei, damit dort keine russischen Panzer durchkommen.

Ich bin sehr zufrieden über die geglückte Runde nach Hachenburg, eine stille Bergstadt mitten in der tiefen Provinz. Die Wälder glitten in mildes Herbstilcht über, die Seenplatte war gut besucht, irgendwo lief eine Campingdisco an. Es gibt schon Herbstzeitlose, aber die Äpfel brauchen noch ein paar Wochen. Da für den tiefen Zug die Prellung doch zu stark schmerzte, fuhr ich zwar ohne Punch, konnte aber alle meine Berggänge treten. Nachricht vom Teenie: Sie ist gut angekommen. Vier Stunden Zugfahrt bis Paris – das geht mit dem Flieger (inklusive Flug, Security, Boarding, Transfer) nicht so schnell (und auch nicht so günstig). Mehr Platz ist in der Bahn sowieso – bei Bedarf kann man sich die Beine vertreten (ihr Zug war 20 Wagen lang). Unser Mädchen ist glücklich – zu Nikolaus ist sie wieder hier.

Bin am Spätabend immer noch berauscht von der Radrunde – diese Luft, diese weite Sicht! Zu Bett mit Kamillentee und Nabokov.
