Christoph Sanders, Thalheim

Eigentlich ein klarer, super sunny, heiterer Montag – der dann aber eine herbe Note bekommt: Als ich im Vorbeifahren einen Traktor fotografieren will, übersehe ich den Poller direkt auf dem Feldweg – Überschlag! Schwere Schulterprellung, leichte Schürfungen (Kamera Totalschaden, Rad heile, Armbanduhr mit Kratzer). Das Schulterblatt hat die Rippe mitgeprellt – Wahnsinnsschmerzen, Atemprobleme. Zum Glück hatte ich den Rucksack voller Plastikpfandflaschen, die wie ein Protektor für die Wirbelsäule wirkten. Der Helm schützte den Kopf, der absolut klar ist. Der junge Bauer eilte mir sofort zur Hilfe, richtete den Lenker, zog die Kette auf. Zuhause Erstverarztung mit 400er Ibuprofen. Während langsam die Betäubung einsetzt, läuft lauwarmes Wasser in die Wanne. Ich werde vorsichtig hineinsteigen.

Das Bad grandios – im Wasser verflog aller Schmerz, ich döste vor mich hin. Dass ein gesetzter Herr wie ich noch Kurzarmhemden mit Knopfleiste besitzt, erwies sich als äußerst hilfreich – ein Shirt über den Kopf zu ziehen hätte eine Stunde gedauert. Nach ihrer Rückkehr aus der Schule salbte die Jüngste die betreffenden Stellen rund um die rechte Schulter mit Voltaren aus der Apotheke ein und berichtete von ihrem ersten Tag nach den Ferien: „Die Talahinas haben sich gleich in eine Reihe gesetzt.“ Dann pflückte sie unserem Garten ein paar Brombeeren und machte mit der fünfzig Jahre alten Krups-Aufsatzmixmaschine einen Bananen-Brombeer-Milch-Smoothie – was wurden damals für gute Geräte gebaut! Jetzt, wo auch ihre Schwestern da sind, übernehmen die Damen gemeinsam meine Pflege und die Essensversorgung. (Bald ist der Salat fertig.) Sie schimpfen mit mir wie mit einem kleinen Kind und lachen dabei.

Nach einer Erholungsrunde im Bett gabs die zweite Ibu 400. Bei mir war es das dritte Mal, dass der Kopfschutz Schlimmeres verhindert hat. Beim ersten Crash ist der Helm frontal geborsten, dieser hier hat nur Kratzer. Es kommt auf den entscheidenden Verzögerungseffekt an – früher nannte man das so schön Knautschzone. Trotz alledem ein wundervoller Abend, an dem ich Nabokovs Analysen zu Prousts Methodik inhaliere: Die Wirklichkeit ist eine Maske, und eine Person entsteht nur als Mehrfachbild der Betrachter, die sie beschreiben – dazu die Vor- und Rückblenden. Das ist schon klasse. Nabokov bewundert Flaubert und erkennt dessen Einfluss auf Proust und auch Tschechow. Vom Realismus hält er wenig – noch viel weniger vom Naturalismus. Alles sehr scharfsichtig.
