Helko Reschitzki, Moabit

On/Off-Regen. Sonnabend ist der erste niederschlagsfreie Tag seit einer Woche. Das Schildkrötometer vom Schlachtensee bestätigt, was auch Haut und Augen vermelden: die Sonne kommt durch! Von der Starkregenwucht am Dienstag ist der Grund des Sees dunkel gespült – bedeckt von Mulch, Muttererde und kleinen Zweigen. Das ergibt einen Spiegeleffekt: die Vögel scheinen auf Wolken zu gehen.

Am Donnerstag blickt eine Frau misstrauisch auf diese Seedüsternis. Sie fragt mich, ob ich schon im Wasser gewesen sei. Als ich bejahe, schickt sie zunächst ihren Hund hinein. Nachdem dieser sich nicht weiter auffällig verhält und sogar etwas trinkt, geht sie schwimmen. Stunde um Stunde lecken helle Sandzungen ein weiteres Stückchen vom großen Dunkelgrund weg und werden dabei länger und breiter.

Am Freitagvormittag blockiert ein frisch umgestürzter Baum die S-Bahn. Ich freue mich, in einer Stadt zu leben, in der man sofort auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen kann, und fahre mit Bus und U-Bahn weiter. Am Samstagabend schaue ich das EM-Viertelfinale. Spätestens, wenn nach Abpfiff alle so etwas wie „Wahnsinn“ und „Irre“ stammeln und eine Spielerin nach ihrer Einschätzung gefragt, „Geisteskrank“ antwortet, um danach in Tränen auszubrechen, weißt du, dass du da gerade etwas ganz Großes gesehen hast. Das bisher nicht durch irgendwelche esoterische Tendenzen aufgefallene ORF-Studioteam redet vollkommen ernst über „die Aura von Ann-Katrin Berger“. Physiker, Parapsychologen und Theologen werden sich zusammenschließen müssen, um herauszufinden, wie es Jule Brand gelingen konnte, gleichzeitig an mehreren Orten zu erscheinen. Irre!

Am Sonntag steigt die Temperatur bis auf 28 Grad. Da trocknen die Kotzelachen der Partypeople schneller. Ebenso bunt, doch ungleich angenehmer, ist der Anblick der Afrikaner, die zum Gottesdienst gehen – vor allem die Frauen und Mädchen tragen wunderschöne farbenfrohe Kleidung. Die Afroamerikaner, die auch auf dem Weg zur Kirche sind, haben sich wie gewohnt förmlich angezogen; die paar deutschen Christen, die man noch sieht, schlurfen mausgrau umher. Dem Kormoran, der nach der kollektiven Revierverschiebung zum alten Baumstamm zurückgekehrt war, folgte nun ein zweiter.

