Christoph Sanders, Thalheim

Samstags bei milder Bewölkung und ausgesprochen ruhiger Fauna erste Nachbeben aus dem Maschinenraum Berlins – die politische Landkarte hat Probleme bei der Ortsbestimmung. Die Försterin des Jahres heißt Monika Runkel, kommt aus Hachenburg und wird für ihre innovativen Lösungen zur Wiederbewaldung ausgezeichnet. Entgegen des Langzeitrends erleben die Evangelikalen hierzulande gerade regen Zulauf usw. Kuriose Zeiten. Auf der Heuwiese vier junge Störche. Bis zum Abflug Mitte August müssen sie ordentlich Gewicht machen. Ihr Alter erkennt man auch am leicht unsicheren Gang. Haus und Garten in tiefer Ruhe – am Abend zuvor jagte die Familie hier noch die norwegische Wildkatze ums Grundstück.

Sehr zufrieden von der Rhein-Lahnrunde via Koblenz zurück. Hatte mir vorher neue Reifen besorgt und einen direkt aufgezogen. Viele Zufallsgespräche mit anderen Radfahrern – alle genau wie das Wetter: heiter, entpannt, luftig. Im Koblenzer Oxfam gratuliert mir eine Dame zur Wahl eines hellblauen Hemdes; ich nehme außerdem Bruckners Sechste mit Wand und dem NDR Sinfonieorchester mit.

Auf einem Laster der Müllabfuhr lese ich den Spruch: Um etwas für die Umwelt zu tun, würde es genügen, den Müll zu trennen, statt sich an Bäume zu ketten. Das ist doch mal ein praktikabler Ansatz. Nachhaltig wäre es, wenn am Ende gar kein Müll mehr entstünde und Recycling zur verbindlichen Maximalregel würde. Ich sehe zwar positive Entwicklungen, doch die gehen völlig unter angesichts der schieren Masse an Verpackungen jeder Art – oder den nicht enden wollenden Reihen von Gebrauchtwagen auf den Hinterfeldern von Koblenz-Lützel. In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet man das als Allokationsproblem und setzt als Lösung auf funktionierende Märkte. Ein großer Schwachpunkt des Kapitalismus ist dessen Ziellosigkeit, weshalb man auch nie sagen kann: Ziel erreicht, jetzt bitte anderes Ziel verfolgen. Angetrieben durch eine stetige Beschleunigung der Verbrauchszyklen ist permanenter Konsum zu unserer obersten Bürgerpflicht geworden. Tendenziell inkommensurable Bereiche bleiben dabei außen vor, oder werden als nachrangig abgetan, ganz gleich, wie wichtig sie auch sein mögen: Gesundheitsprävention, Umweltschutz, das Musische … Die Maschine ist gefräßig, zieht alle Kräfte auf sich, will ständig gefüttert werden. All das sind Probleme, die niemand ernsthaft angeht – solange es keine akuten Krisen gibt.








Die Leber, die ich mir abends zur Pasta mache, vertreibt umgehend alle empfindlichen Nasen aus unserer Küche (lediglich der Sohn hält stand). Danach gehe ich satt und zufrieden ins Musikzimmer, wo ich zur Regeneration Pai Mu Tan trinke. Die Bruckner-Einspielung aus dem Oxfam-Laden ist klar, präzise und irgendwie konstruktivistisch.
