Christoph Sanders, Thalheim
Die Kaffeemaschine des Tegut-Markts in Limburg ist von Passanten und Handwerkern umlagert. Es dauert, bis die Angestellte die drei Liter Bio-H-Milch nachgefüllt hat. Was erduldet man nicht alles für einen guten Koffeinshot – und der hier ist um Welten besser als der Ausfallstraßen-Espresso im Aral in Kelsterbach, dem man anmerkt, dass es dort keine Konkurrenz gibt. Donnerstag – um 7:30 Uhr hab ich einen Termin im Radiologiezentrum. Neben dem Aquarium hängt dort eine kleine Version der Graskunstabscheulichkeit, die ich im Frankfurter Flughafen sah – die Leute sollen wohl beruhigt werden, bevor sie ihre vernichtende Diagnose bekommen. Der Weg nach hause ein vollkommen harmonisches Zurückgleiten durch von milder Morgensonne sanft beschienene Baumgruppen und Höhenzüge.

Der Freitagmorgen bewölkt und unglaublich angenehm – nicht zu warm, nicht zu kalt; die Türen stehen offen, während ich die Post erledige. Das Knie ist seit zwei Tagen wieder normal, die rechte Nackenhälfte aber noch leicht verspannt. Ich müsste wohl mehr Kraftübungen machen. Auf der Straße treffe ich später meinen alten Radmechaniker: Diabetes B, Hämatome an den Händen, Rentner. Mit seinem wenigen Geld kommt er kaum jeden Tag auf eine richtige Mahlzeit. Wenn mal ein Laufrad krumm ist, besuche ich ihn (und seine Schildkröte) in der kleinen Wohnung an der alten Lahnbrücke. Immer wieder fragen ihn Leute wegen Reparaturen an – er hätte viel zu tun in einer einfachen Werkstatt. Die letzte im Ort hat schon vor langer Zeit dicht gemacht. Aber mit ungeheizten 30 Quadratmetern in der Altstadt, zieht keiner mehr einen Hering vom Teller. Hier und da beginnt gerade die Ernte – die Strohrollen glänzen in der Sonne.

Die Tour-Etappe mit identischem Wetter wie bei uns: durchziehende Wolken, leichter Wind und mildwarme 24 Grad. Trotzdem packen sich die Fahrer Eisbeutel in den Nacken – die Menschmaschine muss auf optimaler Betriebstemperatur bleiben. Völlig irre, wie bei dieser Sportart der Organismus bis ins Letzte ausgelesen, ausgereizt und ausgepresst wird. Etwas über vier Stunden gings durch bretonische Dörfer. 48 km/h im Schnitt – da führe ein Jan Ullrich hinterher …

Am Abend kehrt Ruhe ein. Der Teenie backt einen Schokokuchen, meine Frau sagt, das sei auch eine Pubertätsmode. Ich will endlich meine Johannisbeertorte – aber das Patriarchat hat hier keine Chance mehr.
