Frank Schott, Leipzig
Ich will meine Frau vom Bahnhof abholen. Da noch ausreichend Zeit ist und der Zug zudem Verspätung hat, gehe ich die drei Kilometer zu Fuß.
Vor dem Konsum steht ein Tippelbruder. Ein Passant will ihm eine Freude machen und bietet ihm seine noch halbvolle Wasserflasche an. Der Mann winkt ab. „Nimm ruhig“, sagt der Passant. Der Mann schüttelt energisch den Kopf – wie ein Kleinkind, das eine bittere Medizin verweigert. Dann hebt er die eigene Flasche und verkündet stolz: „Altenburger Bock.“ Da hat Wasser keine Chance.

Am Wilhelm-Leuschner-Platz werfe ich einen Blick auf das Gelände der ehemaligen Bowlingtreffs. Alles ist eingezäunt, verfällt, wuchert zu. Der Platz ist die letzte große Freifläche im Stadtzentrum. Am südöstlichen Ende ragen Baukräne in den Himmel. Da das alte Gebäude in der Lortzingstraße marode und zu klein war, entsteht hier gerade das neue Naturkundemuseum. In die drei oberirdischen Stockwerke kommen Kasse, Garderobe, Museumsshop, Büroräume und eine Restaurationswerkstatt; die Ausstellungen werden auf drei unterirdischen Etagen zu sehen sein. Bereits in der Planungsphase explodierten die Baukosten.

In der Innenstadt herrscht Trubel: Leipziger Weinfest. Warum dort aber eine Blaskapelle mit böhmischen Weisen aufspielt, will sich mir nicht erschließen. Die bedauernswerten Musiker vom „Frischluft Projekt“ werden denn auch von den Weintrinkern komplett ignoriert.
Weiter. Zwei Junggesellenabschiedsgruppen lassen sich gegenseitig Spielchen spielen. Die eine Gruppe trägt selbstgestaltete weiße T-Shirts mit irgendwelchen Sprüchen. Die andere läuft in den Trikots von Lok Leipzig auf. Schräg. Dann bin ich am Bahnhof. Viel zu früh. Also trinke ich zur Überbrückung einen Kaffee und esse dazu ein trockenes Rosinenbrötchen.
