Christoph Sanders, Thalheim
Stiller Samstagmorgen. Nord-Nordwestströmung, klarer Himmel ohne Airlines, lautlose Akitvität der Schwalben. Es deutet sich ein für hiesige Verhältnisse echter, heißer Sommertag an. Ich genieße nach dem Aufstehen zwei Blätter Salbei – es ist sehr angenehm, darauf herumzukauen. Danach wilde Erdbeeren zum Sencha. Beim Pflücken en passant ein Dutzend Ahornsetzlinge ausgerissen – wenn ich das nicht mache, ist hier in zwanzig Jahren ein Ahornwald. Im Pfarrheim gegenüber bereits Geschäftigkeit – vermutlich Vorbereitung einer kleinen Hochzeitsfeier. Meine vier Schutzbefohlenen schlafen noch. Da sie die in unmäßigen Mengen vertilgen, werde ich ihnen jetzt Bananen besorgen. Die Dame des Hauses ist zwei Tage abwesend.

Ausgezeichnete fünfeinhalbstündige Sonnenrunde zum Rhein und zurück. Morgens noch ein merkwürdig schwummriges Gefühl mit verschwommenem Sehen und Ziehen im Bein – auf dem Rad ging es dann. Komme nicht aus der Puste, die Form stimmt, das macht Spaß.
Nach Wiederankunft und Duschen zwei Stunden Ballett in der vollen Westerburger Stadthalle. Schöne „Alice in Wonderland“-Aufführung mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 16 Jahren, darunter unsere Jüngste. Stolz auf mein Kind und die Ballettschulen, die mit siebzig Darstellerinnen so etwas hinbekommen. Abends England vs. Deutschland, zwischendurch Teenieabholdienst aus Limburg. Dort spielt das Finale keine Rolle: Altstadtfest! Durchdrehende Autoreifen, Alkoholströme usw. 3:2 n.V. – England ist U21-Europameister. Ulkig, dass solche Spiele, wenn die entsprechende Medienmassage plus Fanartikelpenetranz nicht stattfindet, kaum Tagesgespräch sind.
B E T T ! ! !

Windstille. Die Türkentaube verharrt auf ihrem lächerlich kleinen Nest. In der Nacht 20 Grad – da werden morgens zuerst einmal die Bäumchen gegossen. Obwohl der staatliche Rundfunk verkündet hat, dass wir Bürger auf das Wässern unserer Gärten verzichten sollen. (Wann kommt die Duschkontrolle?) Autowaschanlagen wird die Lizenz aber nicht entzogen. Von der Industrie ist ohnehin nie die Rede. Ich habe auf all meinen Fahrten der letzten Jahre übrigens nicht eine einzige Baumaßnahme an Wasserbehältern gesehen. Die Glasfaserverlegearmee hingegen verrichtet zuverlässig ihren Dienst.

Erholung von der heiteren Samstagsrunde durch den Westerwald: Maxsain, Bendorf, Stromberg, Ransbach und retour – 100 Kilometer. 28 Grad daheim, in der Ebene plus vier, fünf. Trockener, lebhafter Wind, darum kein so großes Hitzegefühl. Ich musste die Flasche nur einmal mit Medium Classic nachfüllen. Der Rheinpegel sehr niedrig – die Zuläufe führen zu wenig Wasser. Bei km 30 ein Insektenstich am Hals – in vollem Flug kollidiert und trotzdem blitzschnell zugestoßen. Juckreiz, keine Schwellung, nur ein punktueller, scharfer Schmerz.

Ein bukolisch orientierter Tag. Am Steinefrenzer Tonzug das neue Graffiti: „Die Armen haben es göttlich.“
