Christoph Sanders, Thalheim
Am Freitag die perfekte Tour: NW Gummersbach, NO Attendorn, SW Gießen, SO Thalheim. Moderate Temperaturen, die am Nachmittag geradezu frühsommerlich wurden. Teilweise Stresssymptome, weil sich 30 Prozent der deutschen Freizeitmotoristen wie Arschlöcher benehmen, absurd schnell und voller Risiko fahren, dabei drängeln. Sobald ich etwas außerhalb der großen Wege war, herrschte Ruhe.

Das Bild in den Mittelgebirgen ist sehr homogen: Straßendörfer in den Tälern, kleine und mittlere Industrie, aktiv oder inaktiv. Die Leute pflegen ihre Vorgärten, putzen und räumen. Ich sah, wie jemand die Grünfläche vorm Haus mit einem Industriestaubsauger behandelte – warum??? Da ich ohne Armbanduhr unterwegs war, orientierte ich mich an den Kirchtürmen, von denen ungefähr ein Drittel nicht mehr die Zeit anzeigt. Oder es gibt weder Turm noch Uhr, was besonders in evangelischen Gemeinden vorkommt. Konfessionsübergreifend lässt sich sagen: Wirklich ALLE Getreidesorten stehen fantastisch.

Meine erste Essenspause im sauerländischen Atttendorn: Im REWE herrscht Sitte und Anstand, das Band wird korrekt belegt, nichts ist in Unordnung oder vernachlässigt – weder am Geschäft noch an den Kunden. Mein Mittag besteht aus Zitronenkefir, Schokolade, Cesars Salad und Sprossen. Für den Nachmittag packe ich Studentenfutter ein. Bei Kilometer 200 im Edeka Eibelshausen Sushi, Wasabisuppe und 150 Gramm eingelegten Feta: Fett, Protein und Salzmineralien. Als Koffein reicht gekühlter Espresso im Becher. Dazu wie auf jeder Fahrt eine reife Banane. Null Völlegefühl um 15:40 Uhr – noch fünf Stunden, um zur geplanten Zeit heimzukommen. Das 18:20-Uhr-Radler auf dem Rewe-Parkplatz in Rodheim vor der Höhe perfekt. Beim Trinken Plausch um einen fast sechs Meter langen Chrysler – das nenn ich mal ein Statement.

Die letzten fünzig Kilometer in einem sensorischen Delirium – die Gräser und Büsche atmen stärker aus, ich kann auf zweihundert Metern Pferdekoppeln riechen. Das Gemisch aus Holunder, Robinie, Wildrose … ab und zu ein Hauch Geißblatt … Grassorten, Laubsorten … ich rieche sogar, wo Wasser fließt …
Genau so sieht ein großer Tag aus.

Samstag Erholung. Tee und Beeren. Nach einem vorübergezogenen Gewitter wieder eine Portion Landregen. Und ein weiteres Fazit zu diesem gestrigen 30. Mai: Deutschland ist so absurd normal und krisenfrei, dass mir diese ganzen Befindlichkeitsüberschriften der Zeitungen, die auf die fröhlichen TK-Pizza- und Bierkastenschieber einprasseln, nur noch bizzaaarr vorkommen: Angst-Tankstellen der Gelangweilten, bevor sie weiter vom Alltagstrott gedemütigt werden.

Netter Sofaabend mit dem Sohne. Von wo aus wir fassungslos das nahtlos flüssige Spiel der Pariser gegen die Mailänder Statisten verfolgten. Das war zu leicht, die Tore zu stümperhaft weggegeben. Als alterndem Mann hat mir vor allem die Operettennummer Inzaghis am Spielfeldrand gefallen – wie oft habe ich diese Unschuldsmimik in den Länderspielen gehasst … Cistus-Salbei-Tee und ab ins Bett.
