Helko Reschitzki, Moabit

Morgens im Starkregen geschwommen. Um mich herum Enten. Auch zwei Exemplare der Art, die ich noch nicht identizifieren konnte. (Die AI-Robots und Vogelportale ebenso ratlos. Vielleicht Nachkommen der „Albinoente vom Schlachtensee“?) Die Bodenfeuchtigkeit deckt das Buffet neu – fünf Stockentenmännchen machen sich hurtig auf die Suche nach ihrer liebsten Proteinquelle. Mein An- und Ausziehen geht routiniert vonstatten, man muss nur in der Modder einbeinig das Gleichgewicht halten können. Trotz des Wetters einige Jogger und Gassigeher unterwegs. Eine mir unbekannte Hundeausführlady wünscht äußerst nett einen „Guten Morgen!“ Den wünsch ich ihr auch. Mal sehen, ob wir uns ohne Kapuze wiedererkennen werden.

Bin noch angenehm platt von den dreieinhalb Stunden Tischtennis gestern. Wir werden alle immer besser. Gute Gespräche mit dem Ex-Hells-Angels sowie einem jungen syrischen Kriegsflüchtling, der seit ein paar Wochen dabei ist – krasse Parallelwelten, mitten unter uns.

Nachdem ich das herausragende „Die Kranken im Mittelalter“ von Schipperges ausgelesen habe, lege ich nach mit Robert Hoenigers „Der schwarze Tod in Deutschland: Ein Beitrag zur Geschichte des vierzehnten Jahrhunderts“, erstveröffentlicht im Jahr 1882. Dank des akribischen Quellenstudiums des Autors wurden dort (trotz Lücken) Chronologie und Verortung der Pestzüge gut erfasst. Interessant: Zuerst kamen Judenverbrennungen und Flagellanten, erst danach die Seuche – diese verstärkte die Pogrome und den religiösen Wahn. Bis heute stellt man das meist in einer anderen Kausalität dar. Viele der zeitgenössischen Berichte gehen auf eine einzige Quelle zurück – die Aufzeichnungen eines Arztes aus Avignon. Die wurden jeweils regional und zeitlich zurechtgebogen, ausgeschmückt und im Lauf der Jahrhunderte immer wieder komplett kritiklos übernommen. Etwas Ähnliches erleben wir ja auch gerade, wo trotz der Leaks der internen Sitzungsprotokolle und innerbehördlichen Mails des RKI die große Mehrzahl der Journalisten und Politiker die alten, widerlegten Coronanarrative wiederkäut. Faktenchecks anhand von Primärtexten und „Follow the science“ gelten halt nur, wenn es gerade passt.

Am Nachmittag ein starkes Gewitter. Schön.
