Frank Schott, Leipzig
Ich war zweimal laufen in dieser Woche. Kleine Runden, nur gut fünf Kilometer jeweils, in gemütlichem Tempo. Beide Male überquere ich die Sachsenbrücke, die ich zuletzt gemieden hatte, weil mich ihr chemischer Gestank abschreckte.
Was da stinkt, ist die Versiegelung der sogenannten Klimastreifen. Die ließ Leipzig 2022, drei Jahre nach der kommunalen „Ausrufung des Klimanotstands“, dort aufmalen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu visualisieren. Ein erster, rund 10.000 Euro teurer Versuch fiel rasch dem Regen und dem Abrieb zum Opfer. Daraufhin wurde im vergangenen Winter alles erneuert und mit Polyurethan beschichtet, eine Chemikalie, die bei längerer Schadstoffausgasung gefährlich werden kann und zudem biologisch nicht abbaubar ist. So eine Klimaschutzkampagne geht offenbar vor Gesundheits- und Umweltschutz.
Aus beruflichen Gründen weiß ich eine manipulative Grafik sehr zu schätzen. Und die „Warming Stripes“, blaue Temperaturen noch um 1950, tiefrote ab dem Jahr 2000, sind wirklich äußerst einprägsam – es ist kein Wunder, dass die Klimakids fürchten, dass bei Erhöhung des langfristigen Durchschnitts um 2 Grad die Wälder brennen.

Eine der Laufrunden drehe ich abends. Es ist deutlich ruhiger, weil die Spielplätze leer sind. Ein älteres Pärchen kommt mir entgegen. Der Mann versucht sie zu beruhigen, aber die Frau schimpft lebhaft: „Das ist ein Park. Wir wollen hier die Ruhe genießen.“ Einen Grund ihres Ärgers höre ich schon: Auf einer Plattform am Inselteich übt eine größere Gruppe zu Musik aus einer Box lateinamerikanische Tänze. Später sehe ich drei Trommler, die ganz in ihren Rhythmus versunken sind. Weil sie meinen Atem aus dem Takt bringt, mag ich Musik beim Laufen überhaupt nicht – zu diesem Abend passt es.

Da nur wenig Verkehr ist, habe ich mehr Augen für die Umgebung. Eine Rose, die ihre Fesseln sprengt und weit über den Zaun hinaus wuchert, begeistert mich. Vielleicht sollten wir stärker der Natur vertrauen.
