Christoph Sanders, Thalheim
Ein klarer Donnerstagmorgen, kaum Tau, kühl. Der Wettstreit der Amseln ist beendet, nur noch sporadisch dringen Strophen aus dem immer dichteren Grün. Schade, dass der Zaunkönig nicht sesshaft wurde – der wird anderswo dichteres Gebüsch gefunden haben.

Kampfmitteleinsatz gegen die heimtückischen Raupen. Am Morgen den Buchs zurückgestutzt und das Schadensbild analysiert: 30% Kahlfraß. Die ersten Tierchen kriechen hervor. Perfekte Anpassung an die Blattfarbe, nur die grüngelben Längsstreifen verraten sie. Und die Bewegung. Man kann auch wahnsinnig werden! Die Niststelle ist von einer Art Spinnwebe gesichert. Noch. Der direkte Sprüher wirkt schnell und sicher. Mein Mittel der Wahl ist ein Fahrradkonservierer, der dem Wert eines Fahrrads entspricht – das sind Wachse, die beim Trocknen einen zähen Film bilden. Die toten Raupen wirken auf den Blättern wie festgeklebt. Diese Buchshecke muss gerettet werden, die Kugel weiter rechts ist wegen ihrer Schattenlage nicht gefährdet.

Freitag weiter mit strahlendem Hochdrucklage, der Phonekompass bestätigt die Windrichtung Nordost. Das ist wichtig, weil es morgen mit dem Rad 240+ Kilometer nach Südwesten geht. Zwei Gänse prüfen den Landeplatz Kirchturm und kreischen wieder ab. Der neunzigjährigen Nachbarin aus dem Garten lila Flieder für das Grab ihrer Mutter (Jahrgang 1900) geschnitten. Kurz den Rasen gemäht. Die Teeniegirls zur Musikschule gebracht. Trost für unsere Kleine, deren Freundinnen immer illoyaler werden und eindeutig von TikTok gesteuert sind (was deren Eltern leugnen). Siesta auf dem Parkplatz der Schulleitung mit Sicht aufs Lahntal, den Bahnhof, den Limburger Dom. Ringsum helles Laub, in der Ferne Rotoren. Anschließend den Sohn aus einem 7 Kilometer entfernten Kaff abgeholt, weil er nach der Abiprüfung (5h30 Mathe und Speerwurf) nicht rechtzeitig aus dem Bus gestiegen war. Ich konnte dem völlig Platten das letzte (sehr gute) Stielkotelett mit Feldsalat und Frühkartoffeln kredenzen, nun gehts ihm besser. Fleisch sollte man immer bei dem Metzger kaufen, der die Namen seiner Viehzüchter kennt.

Waschmaschine leeren, die Wäsche aufhängen. Der Teenie wurde von mir mit der Zubereitung des Abendbrots beauftragt: Lernen, sich um die Gastschülerin zu kümmern. Das Rad ist gerüstet, auch die Wahl der Kleidung steht fest, der letzte kleine Infekt ist durch, da ist vor allem das Ausruhen wichtig. Angepeilt sind 240 Kilometer in 10 Stunden mit Haltepunkten in Mainz und Worms und einer Eisdiele im Kraichgau für den letzten Schub. Allmählich sinkt die Sonne.
