Helko Reschitzki, Moabit
Als wir vor einem Monat hier im Fritz-Schloß-Park Müll sammelten, begegnete uns überraschenderweise eine andere Anwohnergruppe, die ganz in der Nähe sauber machte. Heute startete deren nächste Aktion – ich schaute mal vorbei.
Sonntagvormittag, 4° Celsius, aber mit wärmender Sonne, ca. 20 Leute vor Ort, Familien mit vielen jungen Kindern, man kennt sich aus diversen Eltern- und Kitagruppen und einer Kirchgemeinde. Ich frage in die Runde, ob man (Um Himmels Willen!) doch wohl nicht gerade den Gottesdienst schwänze – nein, dieser ist nur alle vier Wochen, heute ist frei. Amen. Da wir die brütenden Vögel nicht stören wollen, meiden wir deren Plätze, also vor allem die Parks und großen Hecken und arbeiten uns stattdessen in der Umgebung der Claire-Waldoff-Promenade von Spielplatz zu Spielplatz – im Spirit der wundervollen Chansoniere und mit Gottes Segen (?) gehts los.

Wie zu erwarten, füllen sich hurtig die Säcke – diese, die Westen, Handschuhe, Greifer und Besen für Groß und Klein, stellte (wie auch neulich bei uns) die Berliner Stadtreinigung. Wer öfter sammelt, darf das alles behalten – pragmatisch kurze Wege, unbürokratisch und professionell, ja, auch dit jibts in Berlin. Nach anderthalb Stunden ist wegen der Kinder Schluss – die Erzeuger wissen genau, wann eine gute Stimmung ins Gegenteil kippen kann. An alles war gedacht: Vor dem gemeinsamen Picknick auf einem der Spielplätze, wurden Seife und Wasserkanister hervorgeholt, so dass wir die Hände waschen konnten, es geht langsam auf Ostern zu, da denken gläubige Mamas und Papas selbstverständlich an so etwas (am Gründonnerstag sind dann die Füße dran). Und hygienisch ist es natürlich auch.

Eine gute Truppe, die die Entspanntheit derer ausstrahlt, die einfach mal privat loslegen – kein Verein, der von staatlichen Fördergeldern lebt und dadurch sein gesammtes Handeln unter Legitimations- und Abrechnungsaspekten organisieren muss, was oft zu Nervosität und gegenseitiger Kontrolle führt, weil man in der ständigen Angst lebt, irgendetwas „falsch zu machen“, so dass die Projektkohleverteiler verärgert sein könnten und demzufolge die Finanzierung ausbleibt. (Die Frage, die ich mir dabei stelle: Wann ging das eigentlich los, dass man der festen Überzeugung war, dass einem der Steuerzahler solche Aktionen – inklusive „Aufwandsentschädigung“ – finanzieren solle …) Aber umso schöner, dass Ehrenamt und Altruismus ja nach wie vor weiterleben – sie werden dringender gebraucht denn je.

Nette Wiederbegegnung am Rande: Wie schon vor vier Wochen taucht urplötzlich aus einem der Gebüsche der auf, den alle, die von seiner Existenz wissen, nur „Parkranger“ nennen – ein junger Mann, der sich unter Radar um die Hege und Pflege der Gehölze in seinem Areal kümmert. Ab und an sät oder pflanzt er etwas, was das Grünflächen- oder Ordnungsamt mal rausreißt und mal nicht, er weiß, dass das zum Katz- und Mausspiel dazugehört. Insgesamt sind die Amtsleute aber freundlich zu ihm, wenn man sich mal in die Arme läuft. Da Ranger unter starker Dauermedikation steht, kann er nur ein wenig mitsammeln, was er bedauert. Ich habe etwas Saatgut einstecken, das ich ihm schenke, worüber er sich freut – in bessere Hände konnte das nicht gelangen. Wie gut, dass es an den Rändern unserer Normalitätskulissen solche Menschen gibt.
