Walter Kintzel, Parchim
Anbau und Nutzung von Pflanzen um 1700

Im Jahre 1703/04 waren auf Befehl des Herzogs Friedrich Wilhelm im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin die Pastoren aufgefordert worden, über ihre Gemeinden zu berichten. Diese Aufzeichnungen über das Kirchspiel (die „Beichtkinderverzeichnisse“) geben ein ziemlich gutes Bild der Bevölkerung und deren Lebensumstände ab.
So liegen uns u.a. umfangreiche Berichte über die Abgaben vor, die die Landbevölkerung in Form von Naturalien an die jeweilige Pfarrei abführen musste. Da die Lieferungen von den einheimischen Feldern stammten, lässt sich sehr gut rekonstruieren, was dort seinerzeit angebaut wurde.
„Die Intraden und Einkünfte bey dieser Benther Pfarre sind folgende. An Meßkorn gibt ein jeder, sowoll Käter als Vollbauer, einen halben Scheffel Rogken.“
An erster Stelle der Abgaben stand der Roggen (auch „Rogken“ oder „Rokken“ genannt), der, was Klima und Boden anbelangt, relativ anspruchslos und von allen Getreidearten gegenüber Winterkälte, Trockenheit und Feuchtigkeit am unempfindlichsten ist. Zudem trocknet Roggenbrot langsamer aus als andere Sorten und bleibt so länger frisch. All das hat dazu geführt, dass er zur Hauptbrotfrucht wurde.
„An Gärsten säet der Pastor so viel, als er ausmisten kann. Vergangen Frühling habe ich 6 Scheffel Gärsten gesäet und 16 Scheffel rauhen und bunten Habern.“
Hafer wurde zwar nur in den klimatisch ungünstigen Gegenden Irlands zu Brot verarbeitet, doch tauchte er in unseren Abgabelisten immer wieder auf, da die schwer arbeitende Landbevölkerung im Mittelalter und der frühen Neuzeit Haferbrei als kraftspendende Morgenmahlzeit zu schätzen wußte. Das Getreide diente außerdem als Pferdefutter.
Mitunter wird auch Rauher Hafer erwähnt. Dieser wurde aufgrund seines Anbaugebietes auch Sandhafer genannt, er gedieh selbst unter solch extremen Bedingungen, in denen der Saathafer keine lohnenden Erträge mehr brachte.
„Mißkorn ist in allem 5 Drömt Rogken, und zu Karbow gibt ein jeder Coßat 1 Viert Haber, macht einen Scheffel, weil 4 Cossaten verhanden.“
1 Scheffel (nach dem „Parchimer Maß“) = 78 Pfund (gestrichen) bzw. 94 Pfund (gehäuft). 12 Scheffel = 1 Drömt. 1 Viert = 1 viertel Scheffel.
Als Coßat wurde ein Kleinbauer bezeichnet, der Abgaben leisten musste. Meist bewirtschafteten Coßaten kleine Parzellen, für die sie in der Regel nicht das vollständige Nutzungsrecht besaßen. Sie hatten bestimmte Rechte und Pflichten und standen quasi in der Mitte zwischen den sogenannten Abhängigen Bauern (Leibeigenen) und den landbesitzenden Freien Bauern.

Aus der ebenso angebauten Wintergerste wurden Graupen, Grütze und Malzkaffee hergestellt, mitunter auch Brot. In einigen Gegenden säten die Bauern zwischen die Gerste Linse. Zusammen geerntet, gedroschen und vermahlen, ergab das ein sehr nahrhaftes Mehl für rauhe, schwere Brote. Darüber hinaus wurde Gerste als Viehfutter verwendet. Die Sommergerste war die Braugerste und fand hier ihre entsprechende Verwendung – was den Frauen oblag, die seinerzeit nicht nur das Brot buken, sondern auch das Bier brauten.
Der Buchweizen ist keine Getreidepflanze, sondern ein einjähriges Knöterichgewächs. Seine mehlhaltigen Früchte sind dreikantig, im Aussehen ähnlich einer Buchecker, woher wohl auch der Name rührt. Aufgrund der stärke- und eiweißreichen Früchte wurde er vornehmlich für die menschliche Ernährung genutzt, vor allem als Grütze. Erst danach folgte seine Verwendung als Viehfutter. Er ist zudem ein geeigneter Gründünger und eine gute Bienenweide – seit einigen Jahren gibt es Ansaaten für Wildäcker, in deren Gemisch er enthalten ist.
Selten wird Weizen als Abgabe genannt. „Aus Wöten 6 ¼ Scheffel Rocken, noch aus Wöten ½ Scheffel Waytzen.“
Andere Abgaben sind: Flachs, Hanf, Bohnen, Erbsen und Kohl. „Was endlich den Ackerbau bey der Spornitzer Pfarre betrifft, so habe ich 2 Hufen Landes, wiewohl davon noch sehr viel im Busch lieget, und kann zum höchsten nicht mehr als 2 Drömt Rocken, 1 Drömt Gersten, 1 Drömt Habern, 3 Scheffel Buchweitzen, 2 Scheffel Erbsen und 1 ½ Gersten, Scheffel Leinsaat aussähen.“

Interessant ist auch ein späteres Dokument aus dem Jahre 1770, das den ersten Hinweis auf den Kartoffelanbau in Wahlstorf enthält, einem kleinen Dorf in Südmecklenburg, dessen Feldmark an die Prignitz grenzt. Zweimal innerhalb kurzer Zeit musste man hier ein Viehsterben erleiden, weswegen sich die Einwohner bittstellend an ihren Herzog wandten und ihm von den Kosten für die Anschaffung neuer Tiere berichteten und mitteilten, dass ihnen durch den Tod des Viehs zudem der Dung fehlt, der den Acker fett macht. Sie verweisen außerdem auf die Folgen des Kriegs (gemeint ist Der Siebenjährige):
„Der unglückseelige Krieg zog uns fast das Hemd aus. Zu unserer Wirtschaft können wir nicht mehr als 30 Scheffel Roggen, 7 Scheffel Malz und zu Grütze 2 Scheffel Hafer und 2 Scheffel Gerste rechnen. Kartoffeln ist unsere meiste Speise und im Winter trinken wir Wasser dazu.“
Ob der Herzog die fälligen Abgaben stundete oder den Wahlstorfern anderweitig entgegenkam, ist nicht überliefert.
Die zugrundeliegende sowie weiterführende Literatur und andere Quellen können gern beim Autor angefragt werden. (botaniktrommel@posteo.de)
