Christoph Sanders, Thalheim
Trüber und grauer Morgen bei einstelligen Temperaturen. Beginn mit einem klaren, hellgrünen Sencha. Im Rasselsteinwerk sind jetzt die ersten tausend Meter Feinblech gewalzt. Gleichzeitig höre ich, wie überall das komplexe Geschäft mit Rechenclouds und Datencentern anläuft. Die werden demnächst die Lastwagen über die Autobahnen führen und am Ende uns selbst, wenn sie es nicht schon längst mit den unzähligen Apps tun, die wir allmorgendlich sorgsam öffnen. Dann lieber kurz den Vögeln zuhören, vielleicht ist eine neue Stimme dabei. Die Feldlärche neulich setzte gerade zu ersten Trillern an, als ich sie mit dem Rad aufscheuchte. Warm anziehen – gestern hab ich mich beinahe erkältet!

Am Straßenrand an einem Strauss Narzissen gestoppt. Die lagen an einem Kreuz und einer Tafel, die von zwei Soldatengräbern künden. Überrachender Fund. Sicher dreihundertmal dran vorbeigefahren. Daraufhin nochmals den Lageplan Bobruisk vom 22.-28. Juni 1944 studiert und weitere Vermutungen angestellt. Für das, was dort nur in dieser einen Woche geschah, wäre ein eigenes Echolot möglich.

Feldsalat mit Bratkartoffeln, Paprika und Hummus-Broten. Die Kinder wollen gerufen sein. Wieder Mahlers Titan, diesmal Abbado und die Wiener – elastischer und schöner als Bernsteins NYC.
Nun allmählich Nachtruhe und weiter mit Toni Morrisons sehr dichter Sprache. So viel wichtiger als die ganzen aktuellen Regelungen und (vorgetäuschten!) Rücksichtnahmen auf Hautfarbe, Geschlecht und Gleichheit. Dieses Reich des Guten (Philippe Muray), ein ganz kleiner, widerlicher Sozialhierarchietrick.
Aber wir dürfen nicht zornig werden, allenfalls wie Bernhard!
