Frank Schott, Leipzig
Es wird später Frühling als in den vergangenen Jahren in Leipzig. Ich sehe das am Bärlauch. Sonst hat er um den 5. März herum schon große kräftige Blätter, jetzt gucken zumeist gerade mal die Spitzen raus. Vermutlich werden Klimatologen feststellen, dass es erneut der wärmste Winter seit langem war, aber die Natur spricht eine andere Sprache. Gestern früh mussten hier noch Autoscheiben freigekratzt werden. Der Bärlauch spürt den Nachtfrost ebenso und lässt sich daher Zeit in diesem Jahr.
Apropos: Auch in diesem Winter gehen bei uns die Bärlauchddiebe um. Damit sind nicht die Privatpersonen gemeint, die sich einen Handstrauß voll Blätter holen (was trotz der Tatsache, dass der Auwald unter Naturschutz steht, erlaubt ist). Es sind professionelle Banden, die laut Polizei säckeweise Zwiebeln ausgraben – einzelne Diebe wurden von der Polizei mit bis zu 100 Kilogramm aufgegriffen. Manchmal wurden nur die vollen Säcke beschlagnahmt, die im Wald lagen, aber noch nicht abgeholt worden waren.

Man liest, dass die Bärlauchzwiebeln insbesondere im russischen Raum sehr begehrt sind, was das Ausgraben wohl recht lukrativ macht. Was ich mich frage: Über welche Mengen reden wir? Eine Bärlauchzwiebel ist sicher kleiner als die Gemüsezwiebel. Nehmen wir mal an, sie wiegt 25 Gramm. Dann wären 40 Zwiebeln ein Kilo, und 4.000 Zwiebeln wären 100 Kilo. Der Bärlauch wächst im Auwald ziemlich eng beieinander, ich schätze es auf 25 bis 50 Pflanzen je Quadratmeter. Sagen wir mal, es sind 20, weil ja oft auch Bäume oder Baumstümpfe den Platz begrenzen. Dann wären für 4.000 Zwiebeln 200 Quadratmeter zu beräumen – das sind grob 14 mal 14 Meter. Okay, der Auwald hat eine Fläche von 5.900 ha (590.000 m²) – und bestimmt die Hälfte ist im Frühjahr mit Bärlauch bedeckt.

So schlimm der Vandalismus der Diebe für die Natur auch ist – ich glaube, in diesem Jahr muss ich mir noch keine Sorgen um ein paar Blätter für Salat, Pesto oder Bärlauchbutter machen. Und notfalls haben wir ja auch ein paar Pflanzen in unserem kleinen Garten.
